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Nils Wogram

Muse

Marl, 22.12.2021
TEXT: Stefan Pieper | 

Eine der gehaltvollsten Veröffentlichungen des zurückliegenden Jahres definiert die Kategorie "Kammerjazz" ganz neu: Das auf Nwog-Records erschiene Album „Muse“ präsentiert eine neue Formation des Posaunisten Nils Wogram.

Das Potenzial dieser vier Musiker-Persönlichkeiten lässt jede Rechnung zwischen diesen eher „ungleichen“ Instrumenten aufgehen. Filigrane Kammermusik? Jazz im ureigenen Sinne? Filmsoundtrack? Alles ist da und noch viel mehr, um sich allen Versuchen der Schubladisierung zu entwinden. Die klangliche Wärme dieser Produktion geht auch in aufnahmetechnischer Hinsicht auf eine bewusste Reduktion zurück: Die Stücke wurden mit einem dafür eigens wieder animierten Zweispur-Analog-Aufnahmegerät im Sendesaal Bremen aufgenommen.

Zur Konstellation: Der Posaunist Nils Wogramm ist einer der kreativsten, erfolgreichsten und künstlerisch treffsichersten Musiker der europäischen Jazzszene. Heute in der Schweiz lebend, steht er durch zahllose Kollaborationen auch mit der NRW-Szene in dichtem Bezug. Sein Label NWOG-Records bietet eine Plattform für alles, was eine junge Generation im Jazz an frischen Ideen hervorbringt. Auch „Muse“ ist auf Wograms Eigenlabel erschienen. Haydn Chisholm, aus Neuseeland stammend, brillierte als Artist in Residence beim Moers-Festival. Heute wirkt er immer noch „indirekt“ als NRW-Musiker. Die Berliner Harfenistin Kathrin Pechlof, ist wohl „die“ Referenz, wenn es um den grenzensprengenden Einsatz der Konzertharfe im Jazz geht. Jetzt brauchte es für die CD „Muse“ nur noch ein passendes Bindeglied: Und da kommt der südafrikanische Violaspieler Gareth Lubbe ins Spiel. Er kollaboriert schon lange mit Hayden Chisholm und lehrt heute als Professor an der Folkwang-Universität. Auf „Muse“ tritt er auch als begnadeter Obertonsänger in Erscheinung.

Genial sind sämtliche 13 Stücke darin, immer wieder neue, sensible und verblüffend logische Konstellationen auszuloten. Nils Wograms Gabe, selbst im zarten Pianissimo auf seinem Blechblasinstrument noch lässige Präsenz zu zeigen sucht seinesgleichen. Kathrin Pechlofs Harfenspiel ist durch ihre stilistische Variabilität und dynamische Anpassungsfähigkeit in jedem Moment mitten drin in der Sache. Haydn Chisholms empfindsames Saxofonspiel ist meist sehr schlank, ja fast schon „klassisch“ abgestimmt und markiert ein gleichgewichtiges Pendant zum freudvollen Gestus in Wograms Posaunenspiel. Violaspieler Gareth Lubbe bringt eine neue, aufwühlende Diktion ins Spiel - die wiederum auf die anderen Bandmitglieder mächtig abfärbt. Oft geht es hinein in cineastische Traumsequenzen, einmal sogar in einer Ennio-Morricone-Anspielung inclusive gepfiffener Melodien. Oder die Combo swingt sich einfach mal auf eine lässige Cooljazz-Nummer ein. Sehr raffiniert wird darüber hinaus über weite Strecken mit polyphonischen Stimmführungen gearbeitet, die starke Prägungen durch barocke oder noch ältere Musik erkennen lassen.

Der Akzent auf „Muse“ verlagert sich im Verlauf der 62 Spielminuten. Mit zunehmender Tendenz gebärden sich die Stücke temperamentvoller, verspielter, witziger. Wenn aufgeweckte Musikerinnen und Musiker solche neuen instrumentalen Konstellationen wagen, führt dies unweigerlich aus der Komfortzone des Gewohnten hinaus. Allein, weil das musikalische Geschehen offener und angreifbarer wird, sobald keine füllenden Harmonieinstrumente mehr im Spiel sind. Nils Wogram, Haydn Chisholm, Kathrin Pechlof und Gareth Lubbe haben hier alle Chancen genutzt, um dem zeitgenössischen Jazz eine nachhaltige Frischekur zu verpassen.

Nils Wogram: Muse

NWog Records 2021

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