Neues zum Hören
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 33
TEXT: Christoph Giese |
Barbara Barth : All Or Nothing At All (JazzHausMusik)
Die Besetzung dieses Trios um Barbara Barth ist schon außergewöhnlich. Denn die Sängerin trifft hier auf den Tenorsaxofonisten und Bassklarinettisten Sebastian Büscher sowie den Cellisten Veit Steinmann, der auch mit elektronischen Sounds hantiert. Ein Line-Up ohne Harmonieinstrument, sehr reduziert und mit einer Sängerin, deren Stimme klangkombiniert mit den Instrumenten ihrer beiden Kollegen agiert. Diese Besetzung bietet so auch Möglichkeiten, die das Trio nutzt: Ungewöhnliche Klangfarben gestalten, Begegnungen außerhalb des Konventionellen suchen. Spannend.
Adriana Calcanhotto: Errante (BMG)
Diese Frau zählt sicher zu den interessantesten Stimmen Brasiliens. Eigentlich braucht Adriana Calcanhotto nur ihre Stimme und eine Gitarre um den Zuhörer zu fesseln und zu verzaubern. Wie sie das vor vielen Jahren mal bei einem Soloauftritt beim Duisburger Traumzeit-Festival tat. Auf ihrem neuen Album Errante hat die Latin Grammy-Gewinnerin aber ein paar feine Musiker um sich geschart, um ihre ganz eigenwillige Mischung aus Samba, Bossa Nova, Tropicalismo, Pop und ihrer wunderbaren Poesie zusammenzubringen. In leichtfüßigen, akustisch gehaltenen, kleinen Songperlen über das Leben und die Liebe.
Luca Zambito Quartett: Ancestry (Unit Records)
Hinter diesem Vierer stecken vier Münchner Musiker, die neugierig machen. Pianist Luca Zambito, Saxofonist Moritz Stahl, Bassist Nils Kugelmann und Schlagzeuger Valentin Renner zeigen auf Ancestry in den geschmackvollen Kompositionen des Bandleaders ihre Gestaltungskraft und Fantasie. In einem musikalischen Feld zwischen Post Bop, zeitgenössischem Jazz und freien Improvisationen, aber auch in lyrischen Momenten. Interaktives Spiel, breitgefächerte Klangfarben, frische Sounds – diesem Quartett zuzuhören macht Freude.
Florian Arbenz: Targeted – In Conversation # 9 (Hammer Rcordings)
Die Idee dieser zwölfteiligen Reihe war und ist es mit zwölf unterschiedlichen Ensembles zu spielen. Mit alten Freunden als auch Helden der Kindheit. Mittlerweile ist der Schweizer Schlagzeuger Florian Arbenz bei Nummer 9 in seiner Reihe angelangt - und dem Zusammentreffen mit dem holländischen Organisten Arno Krijger und dem US-Saxofonisten Greg Osby. Es ist ein Jazz-Treffen voller Biss und Energie geworden. Kein Wunder bei Osby. Aber auch ruhige und entspannende Momente gibt es auf diesem Album. Drei Originialkompositionen und drei Jazzstandards bilden das Programm von Targeted. Und man wünscht sich nach dem Durchhören, dass aus diesem Trio vielleicht mal eine feste Band werden könnte.
Chet Baker: Blue Room - The 1979 VARA Studio Sessions In Holland (Jazz Detective)
1979 war mit etlichen Aufnahmen ein gutes und produktives Jahr für Chet Baker.Okay, er tauchte ab und an mal einfach nicht zu einem Gig auf. Und er war auch bei diesen Aufnahmen, vor allem denen im November, nicht pünktlich im VARA-Tonstudio im holländischen Hilversum erschienen und hatte auch keine Noten dabei. Die meisten unveröffentlichten Aufnahmen dieses fantastischen Doppelalbums aber entstanden schon im April, mit anderer Besetzung als im November. Pianist Phil Markowitz, Bassist Jean-Louis Rassinfosse und Drummer Charles Rice spielen an der Seite des großen US-Trompeters und Sängers. Und der brilliert mit seinem Timing und seinem so lyrischen Trompeten-Ton. Baker, der Meister der Melodie, at his best. Und das üppige Booklet und die darin enthaltenden kleinen Geschichten seiner Mitstreiter und weiterer Wegbegleiter sind zudem interessant zu lesen. Denn sie zeugen von der Liebe zu einem der ganz großen Jazzkünstler.
FATCAT: More Sugar (Jazzhaus Records)
Zucker ist Energie und er versüßt das Leben. So ist auch der Albumtitel von FATCAT gemeint. Denn in tristen Zeiten kann ein wenig mehr von dem süßen Zeug ja nicht schade. Gute Laune macht aber auch die Musik des Freiburger Kollektivs um Sänger Kenny Joyner. Die achtköpfige Truppe serviert auf More Sugar funkige Musik, die sich bei Pop, Jazz, Disco, Soul und R&B bedient und einfach Spaß macht. Die Songs gehen mit ihren süffigen Melodien ins Ohr, haben vielfach Radiopotential, Wohlfühlfaktor, locken aber auch auf die Tanzfläche.
Micha Jesske SMUK: Micha Jesske SMUK (Recordjet)
SMUK heißt schön auf Dänisch. So hat der deutsche Schlagzeuger Micha Jesske seine Band sowie das gleichnamige Projekt und Debütalbum genannt. Mit Saxofon, Trompete, Klavier, Gitarre, Bass und natürlich Schlagzeug ist seine Band besetzt, die sich geschickt im modernen Jazz tummelt. Die Kompositionen Jesskes klingen ausgereift, Improvisationen fügen sich in farbenreiche Harmonien und verbinden sich mit schönen Melodien. Und der Bandleader selbst? Spielt sensibel, koloriert und schiebt gefühlvoll an. Jesske ist hier kein Haudrauf, sondern Teamplayer in einer überzeugenden Mannschaft.
Yelena Eckemoff: Lonely Man And His Fish (L&H Production)
Live aufzutreten ist gar nicht mehr so ihr Ding. Sie hat auch einfach zu viel zu komponieren. Und dabei muss sie sich nicht einmal groß anstrengen. „Die Melodien kommen zu mir“, sagt Yelena Eckemoff. Und so ist die in Russland geborene und in den USA lebende Pianistin und Komponistin eine ungemein produktive Künstlerin geworden. Ihr neuestes Doppelalbum ist mal wieder ein Konzeptalbum geworden. Auf dem die Geschichte eines kürzlich pensionierten Orchestermusikers erzählt wird, der sich gegen seine Einsamkeit einen Fisch kauft. Zusammen mit Kornettist Kirk Knuffke, Masaru Koga an japanischen Flöten, Bassist Ben Street und Drummer Eric Harland wird diese Geschichte in vielen Kapiteln musikalisch erzählt. Der Plot lässt sich im Booklet nachlesen und anhand der farbenreichen Jazzmusik auch gut nachvollziehen. Ein audio-literarisches Vergnügen.