Neues aus der CD-Welt
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 72
TEXT: Christoph Giese |
LINA_ & JULES MAXWELL: „Terra Mãe“ (Atlantic Cuve)
Sie hat nun einen neuen Partner, die preisgekrönte Fadosängerin LINA_. Zusammen mit dem irischen Songrwiter und Komponisten Jules Maxwell, bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Dead Can Dance oder Lisa Gerrard, hat die Portugiesin das spirituell anmutende, gefühlvolle Album „Terra Mãe“ aufgenommen. Die irischen Originalkompositionen hat das Duo zusammen mit der Portugiesin Amélia Muge und dem britischen Elektronik-Produzenten James Chapman bearbeitet und transformiert zu einer Musik, die wundervoll zwischen beiden Welten schwebt. Stilvoll und reduziert instrumentiert und zart mit Elektronik unterfüttert sind die Songs. Himmlisch schön.
DIEGO PIÑERA feat. JOHN PATITUCCI & DAVID KIKOSKI: „Evidence“ (Iapetus/Bandcamp)
Mit „Evidence“ hat sich der in Montevideo, Uruguay geborene Schlagzeuger und Komponist Diego Piñera einen kleinen Traum erfüllt: Er hat mit zweien seiner Musikhelden aufnehmen können, mit Bassist John Patitucci und Pianist David Kikoski. Beide haben ihn musikalisch beeinflusst und inspiriert, sagt Piñera. Der Albumtitel ist einem weiteren verehrten Musiker gewidmet, Thelonious Monk. Mit dessen Komposition „Evidence“ startet das Album. Und man spürt gleich die Chemie zwischen den drei hier Beteiligten und worauf es ihnen bei den Aufnahmen ankam. Auf rhythmische Finessen, auf virtuoses Zusammenspiel, das dennoch Raum für intuitive Freiheiten bietet. Aber das Trio legt auch einen Fokus auf Sensibilität, besonders intensiv zu spüren in gemeinsam komponierten, traumschönen Ballade „La Nube“. Gibt es auch was zu bemängeln an dieser Einspielung? Ja, dass sie nur vier Stücke kurz ist und somit lediglich EP-Länge hat. Das schreit auf jeden Fall nach mehr!
GoGo PENGUIN: „Necessary Fictions“ (XXIM Records/Sony)
Man hört nach wenigen Augenblicken dass dies hier ein Album von GoGo Penguin ist, dem Fusion-Trio aus Manchester, das es seit über einem Jahrzehnt so vorzüglich versteht, eingängige Melodielinien zu tanzbaren, mit Elektronik angereichter Musik zu tranformieren. „Avancierte elektronische Tanzmusik auf akustischen Instrumenten“ nennt es das Trio, auch wenn das nicht 100%ig stimmt, denn schaut man in das CD-Cover ihres neuesten Werkes, dann findet man auch Synthesizer unter den aufgeführten Instrumenten. Und Tastenmann Chris Illingworth, Bassist Nick Blacka und Drummer Jon Scott haben sich mit dem britisch-ugandischen Singer-Songwriter und Gitarristen Daudi Matsiko und dem achtköpfigen Streicherensemble Manchester Collective erstmals Gastmusiker ins Aufnahmestudio eingeladen. Geblieben sind die so süffigen, mitunter leicht sphärischen, jazz-clubbig-poppigen Songs, die in dieser Güte nicht viele zu spielen verstehen.
KARL RATZER TRIO: „Vienna Red“ (IN + OUT Records)
75 Jahre schon ist der Wiener Gitarrist Karl Ratzer auf dieser Welt und hat nun sein 36. Album als leader oder Co-Leader eingespielt, live im Wiener Jazzclub „Porgy & Bess“. Mit Jazzgrößen wie Chet Baker, Johnny Griffin oder Art Farmer hat er gespielt und in den 1960er Jahren erst einmal als Rockmusiker losgelegt. Im Trio mit Bassist Peter Herbert und Drummer Howard Curtis gibt es hier von der Jazzballade „I Fall in Love Too Easily“ über Wayne Shorters „Footprints“ und weiteren Jazzstandards bis zur Eigenkomposition „Until You´re Mine“ ein feines Programm serviert. Mit einem nach wie vor bezauberndem Karl Ratzer an Gitarre und Gesang, der niemandem mehr irgendwas beweisen muss und auch sanft spielend verzückt mit seinem warmen Sound.
OLA ONABULÉ & NICOLAS MEIER: „Proof Of Life“ (Rugged Ram Records)
Die Zusammenarbeit des britisch-nigerianischen Sängers und Songschreibers Ola Onabulé mit dem Schweizer Gitarristen Nicolas Meier begann währen der Pandemie mit einer Reihe von Livestream-Auftritten. Zehn gemeinsame Songs haben es nun auf die gemeinsame Platte „Proof Of Life“ geschafft. Begleitet von einem Bassisten, einem Drummer und einem Perkussionisten schaffen die beiden Protagonisten hier ein souliges Album, das musikalisch zum Zuckerhut ebenso rüberschaut wie nach Afrika. Komplexe Arrangements klingen dennoch luftig und leicht und sind sehr facettenreich. Rhythmisch bekommt der Hörer einiges geboten und immer wenn Ola Onabulé singt, dann tut er das mit viel Emotionalität, wie etwa im zwischendurch arabesk tönenden Titelstück. Eine klanglich und stilistisch bunte Platte, die dank ihrer großen Abwechslung nie langweilig wird.
JACOB KARLZON & RHANI KRIJA: „Mosaic“ (Intuition)
Klavier- bzw. Keyboardtasten und Percussion, mehr brauchen der schwedische Pianist Jacob Karlzon und der marokkanische Perkussionist
Rhani Krija
auf ihrem Debüt-Duoalbum nicht, um zehn selbstgeschriebene Songs lang miteinander spontan auszutauschen und bestens zu unterhalten. Die perlenden Klavierläufe von Karlzon, die Krija so schön mit seiner großen Rhythmusvielfalt kontrastieren zu versteht, dabei nie irgendwas zutrommelt, oder auch kleine Fragmente, die dann in größere Zusammenhänge gebracht werden – an Raffinesse und Überraschungen fehlt es hier nicht. Beide lernten sich übrigens als Mitglieder der Band des Sting-Gitarristen Dominic Miller erstmals kennen. Und waren begeistert vom jeweils anderen. Das Resultat ist nur „Mosaic“, eine zauberhafte Duoplatte, bei der man nichts vermisst.
MARK MASTERS ENSEMBLE: „Sam Rivers 100“ (Capri Records)
MARK MASTERS ENSEMBLE: „Dance, Eternal Spirits, Dance!“ (Capri Records)
Er war einer der großen Tenorsaxofonisten des Jazz, der 2011 schon verstorbene US-Amerikaner Sam Rivers. Der amerikanische Komponist und Arrangeur Mark Masters hat mit seinem vielköpfigen Ensemble, mit Tenorist Billy Harper, ebenfalls eine (noch lebende) Jazzlegende, im letzten Jahr auf „Sam Rivers 100“ Kompositionen von Rivers arrangiert und eingespielt. Herausgekommen ist ein zeitlos schönes, swingendes Werk, voller inspirierter Soli, das zum einen zeigt, welche schöne, auch freejazzige Musik Sam Rivers zeitlebens komponiert hat und mit wie viel kreativer Energie Mark Masters hier die elf Stücke neu beleuchten lässt. Gleichzeig bringt das Mark Masters Ensemble mit „Dance, Eternal Spirits, Dance!“ auch noch ein Album mit Musik von Billy Harper heraus, der ein sehr melodiöser Komponist ist, was man hier auf den acht ausgewählten, fantastisch neu arrangierten Stücken hört, die eine Zeitspanne von 30 Jahren umfassen. Wer exquisiten, großformatigen Jazz, liegt bei beiden Veröffentlichungen goldrichtig.
MAXIME BENDER: „Infinity Of Sound“ (Igloo Records)
Vier außergewöhnliche Musiker des europäischen Jazz, die Philharmonie Luxemburg als Live-Spielort – dann kann schon mal Magisches entstehen. So geschehen bei diesem Album, das unter dem Namen des luxemburgischen Saxofonisten Maxime Bender erscheint, der hier zudem drei der insgesamt fünf langen Kompositionen beigesteuert hat. Die beiden anderen hat Pianist Joachim Kühn geschrieben, der zweite Protagonist dieser Aufnahme. Der französische Bassist Stéphane Kerecki und der Schweizer Drummer Daniel Humair komplettieren dieses generations- und grenzüberschreitende Quartett, das sich einem herrlich freien Jazz ausgiebig hingibt, mit atemberaubenden musikalischen Dialogen aufwartet und dabei eine sich immer leicht anfühlende Intensität an den Tag legt.
JOHN YAO and his 17 PIECE INSTRUMENT: „Points In Time“ (See Tao Recordings)
Vor 20 Jahren kam er nach New York, zehn Jahre ist es her seit der Veröffentlichung seines ersten Bigband-Albums. Nun ist Posaunist und Komponist John Yao zurück mit seiner Combo 17 Piece Instrument, die natürlich, ihn mit eingerechnet, 17-köpf ig ist. Acht Titel aus der Feder des Bandleaders gibt es zu hören. Zu hören gibt es Straight Ahead Jazz, die manches Mal an einen Filmscore erinnert, die auch mal lässig swingt, die frisch klingt und die mit vielen inspirierten Soli, auch vom Leader selbst, gespickt ist. Eine Musik, die einfach viel Spaß macht und nicht nur ausgewiesenen Bigband-Fans gefallen dürfte.