Neues aus der CD-Welt
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 76
TEXT: Christoph Giese |
THE CHARLIE ROUSE BAND: „Cinnamon Flower“ (Resonance Records)
Er spielte in den Bigbands von Billy Eckstine oder Dizzy Gillespie, hat mit Duke Ellington oder Count Basie gearbeitet. Aber am bekanntesten wurde Charlie Rouse wohl durch seine Arbeit im Thelonius Monk Quartet, dem er elf Jahre lang angehörte. Der Tenorsaxofonist aus Washington leitete aber auch seine eigene Band. Mit der nahm er im Jahre 1977 das großartige Album „Cinnamon Flower“ auf, das Freunde von brasilianischem Jazz mehr als gefallen dürfte. Sieben Kompositionen von Milton Nascimento, Dom Salvador und Tristão Aunary veredeln Rouse und seine zahlreichen Mitstreiter mit viel Eleganz und Soul in funkelnde Preziosen. Neben den Originalaufnahmen gibt es die gleichen Songs (plus einem Bonustrack) gleich noch mal hinterher auf dem 80-minütigem Silberling bzw. dem Doppel-Vinyl. Die bisher unveröffentlichten „Sound Ideas Studio Versions“ erklingen ohne das Overdubbing vom Produzenten des Originalalbums, Alan Douglas.
ZACK LOBER: „So We Could Live“ (Zennez Records)
Nach einem Vierteljahrhundert als Sideman veröffentlicht der kanadische Bassist Zack Lober mit „So We Could Live“ sein zweites Album als Bandleader. Und seine mit dem niederländischen Tenorsaxofonisten Jasper Blom und dessen Landsfrau Suzan Veneman an der Trompete und der südkoreanischen Schlagzeugerin Sun-Mi Hong besetzte Band NO FILL3R kann sich hören lassen. Liefert dieses Quartett doch eine intensive, fesselnde Musik aus aufregenden Unterhaltungen der beiden Bläser, die vom Schlagzeug wahnsinnig kreativ unterstützt und kommentiert werden. Und der Bandleader hält das alles mit seinem unaufdringlichen, sonoren Bassspiel zusammen. Und verwöhnt dann mit seiner Soloversion des weltberühmten Liebesliedes „Bésame Mucho“ auf dem Kontrabass.
HENRIQUE GOMIDE / CÉLINE RUDOLPH / JOÃO LUÍS NOGUEIRA:
„Amaré“ (Challenge Records)
Klavier, Stimme, akustische Gitarre – damit kreieren der Pianist Henrique Gomide, Sängerin Céline Rudolph und Gitarrist João Luís Nogueira auf ihrem gemeinsamen Debütalbum wunderschöne Lieder an den Schnittstellen von brasilianischer Musik, Kammermusik und Jazz. Und alles klingt dabei völlig natürlich, warm, erdverbunden, zart oder lebendig beschwingt. Dieses Trio aus Berlin, Köln und Essen schafft auf „Amaré“ absolute Wohlfühl-Stimmungen mit seiner eigenen, feinen Klangsprache. Mit Eigenkompositionen und Interpretationen von Songs eines João Donato oder Toninho Horta, der hier wie Saxofonist Teco Cardoso auch als Gast mitwirkt.
ANDREA HERMENAU / PETER ČUDEK / CHRISTIAN LETTNER:
„Magia“ (Laika Records)
Noch ein Trio, ebenfalls eine Frau und zwei Männer, ebenfalls ein Debütalbum. Und auch Andrea Hermenau ist Sängerin, aber auch Pianistin. Zusammen mit dem Bassisten Peter Čudek und Schlagzeuger Christian Lettner hat die Münchenerin „Magia“ aufgenommen, ein Album voller interessant tönender Eigenkompositionen. Ein Album von drei gleichberechtigten Künstlern, das mit seinen Balladen ebenso verwöhnt wie mit brasilianischen Klängen oder poetischen Klanggemälden. Es ist auch diese Vielfalt, die „Magia“ zu einer durchaus magischen Einspielung macht. Denn auch sphärische Momente gibt es. Und Freunde von etwas energischerem, hart swingenden Jazz werden bei den 13 Songs ebenfalls fündig.
YOM X CECCALDI: „Le Rhythme Du Silence“ (Kosmos)
Dieser Musiker lässt sich in keine Kategorie stecken. Der fanzösische Klarinettist Yom ist schon der traditionellen Klezmermusik zugewandt, vermischt diese aber gerne mit zeitgenössischen Klängen, Klassik oder ein wenig Elektronik zu einer spirituellen Reise jenseits fester Genregrenzen. Mit den Ceccaldi-Brüdern hat er auf „Le Rhythme Du Silence“ für diese Klangreisen zwei kongeniale Partner gefunden. Geiger Théo Ceccaldi und Cellist Valentin Ceccaldi kreieren im Verbundmit Yom mystische, intensive Klangwelten. Es sind musikalische Traumlandschaften, die beim Zuhören die reale Welt für mehr als einen Augenblick völlig verschwinden lässt.
KNOBIL: „Knobilive in Cully“ (Unit Records)
Noch ein Trio, ebenfalls französisch angehaucht, aber aus der französischsprachigen Schweiz. Knobil aus Lausanne ist die Band der jungen Kontrabassistin, Sängerin und Komponistin Louise Knobil. Zusammen mit Chloé Marsigny (Bassklarinette, Effekte) und Vincent Andrae (Schlagzeug) gibt es pfiffigen, quicklebendigen Jazz, manchmal mit Punk-Attitüde gespielt, zu hören. Lieder über Trennungen aller Art im Leben oder das Öffnen eines Pesto-Glases im Lockdown – so tiefempfunden oder aberwitzig die Inspiration auch sein mag, Knobil machen daraus mit swingendem, groovigen Post-Bop und herrlichen Walking Bass-Linien ein totales Hörvergnügen. Im Frühjahr diesen Jahres auch live beim Cully Jazz Festival am Genfer See, wo glücklicherweise die Aufnahmebänder mitliefen.
HEIKKI HALLANORO: „Soul Songs Volume 3“ (Mons Records)
Auch den dritten Teil seiner „Soul Songs“ hat der finnische Pianist und Komponist Heikki Hallanoro wieder solo eingespielt auf einem über 100 Jahre alten Klavier in seiner Heimatstadt Oulu in der Mitte Finnlands. Und die neun im Klang gedämpften Miniaturen sind wieder Futter für die Seele und Musik zum Träumen und totalem Relaxen. Die Lieder drehen sich dieses Mal um die Last der Depression. Hallanoro kennt dieses Thema nur zu gut, rutschte er doch selbst schon in eine tiefe Depression. Doch nicht zuletzt die Musik und die „Soul Songs“ halfen ihm auch seiner persönlichen Krise. Was Besseres kann Musik noch tun?
GEBHARD ULLMANN: „Hemisphere 4 – Kapitel Zwei“ (JazzHausMusik)
Als „sehr ruhige Hörfilme“ bezeichnet Gebhard Ullmann die Musik auf der Fortsetzung seines vor zwei Jahren erschienenen Albums „Hemisphere 4“. Das nun veröffentlichte „Kapitel Zwei“ ist in der Tat ein audiovisuelles Vergnügen, entstehen beim Hören doch ganz automatisch Bilder vor dem geistigen Auge. Die hier zu erlebende Musk ist live eingespielt worden, ohne Overdubs oder Nachbearbeitungen. Neben dem Holzbläser und Multiinstrumentalisten Ullmann sind noch Keyboarderin Liz Kosack, Akkordeonistin Silke Lange und Vibrafonistin Taiko Saito beteiligt an den ruhig fließenden Klangabenteuern zwischen Jazz, Neuer Musik und freier Improvisation.
JOSÉ PEIXOTO & NUNO CINTRÃO: „Visita“ (Galileo MC)
Der 2004 schon verstorbene portugiesische Komponist und Gitarrist Carlos Paredes galt nicht nur als Meister der Portugiesischen Gitarre, sondern machte dieses vor allem im Fado als Begleitinstrument so typische Instrument regelrecht berühmt. Nun haben sich die beiden portugiesischen Gitarristen José Peixoto und Nuno Cintrão mit „Visita – Diálogos com Carlos Paredes“ imaginäre Gespräche mit dem großen Gitarrenmeister hingegeben. Auf dem zweigeteilten Album interpretieren die zwei zunächst fünf Stücke aus der Feder von Paredes in ihren eigenen, sehr interessanten Arrangements um sich dann in fünf weiteren, selbstkomponierten Nummern dem Geiste und der Musik Paredes aus ganz eigener Sichtweise anzunähern. Alle zehn Stücke bieten berührende Musik auf akustischen und auch elektrischen Gitarren. Die Portugiesische Gitarre vermisst man hier übrigens nicht.









