Neues aus der CD-Welt
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 74
TEXT: Christoph Giese |
SOPHIA OSTER QUARTET: „Praise“ (Laika)
Als frische Stimme des Jazz zeigt sich hier die in Ludwigsburg geborene Pianistin, Sängerin und Komponistin Sophia Oster. Mit ihrem Quartet, zu dem Bassist Paul Imm, Saxofonist und Flötist Konstantin Herleinsberger und Rafael Müller gehören, bietet sie sechs Stücke lang in einem Mix aus eigenen Stücken und Fremdkompositionen einen gefühlvollen Modern Jazz voller Ideen. Wie sie etwa Joni Mitchells „Woodstock“ mit Wayne Shorters „Go“ kombiniert, das ist sehr fein. Und am Schluss gibt es Pixinguinhas Klassiker „Carinhoso“ von Sophia Poster sehr gut auf Portugiesisch gesungen zu hören. Ein wunderbarer Ausklang eines sehr Schönen Albums.
DIE DRAHTZIEHER: „Mer Diga Men“ (GLM Music)
Gypsy Jazz, Valse Musette und südamerikanische Boleros, Die Drahtzieher spielen all das mit einer wunderbaren Leichtigkeit und Eleganz. Die Gitarristen David Klüttig und Bobby Gutenberger sowie Kontrabassist Kolja Legde und als Gäste noch Gitarrist Samson Schmitt und Saxofonist Tony Lakatos zeigen in ihren eigenen Stücken und Nummern von Samson Schmitt und Django Reinhardt, wie man die Tradition des Gypsy Jazz authentisch interpretieren kann, ohne in pure Nostalgie abzudriften, sondern weltoffen und mit frischen Klängen das Genre ins Hier und Jetzt und sogar in die Zukunft blicken lässt.
PETER HEDRICH: „simplicity“ (Mons Records)
Ein Albumtitel wird zum Programm. Denn für Peter Hedrich muss Musik nicht kompliziert sein. Seine Philosphie ist mehr dass sie vor allem berühren muss. Und das tun die acht Stücke auf „simplicity“ durchaus, von denen die ersten sieben alle aus der Feder des Posaunisten und Komponisten aus dem Saarland stammen. Sein moderner Mainstream verwöhnt mit feinem Swing, mit schönen Melodiebögen oder superentspannten Soli des Bandleaders, die als Gespräche mit dem zweiten Bläser seines Quintetts, dem Altsaxofonisten Fabian Schöne, besonders viel Freude beim Hören machen. Aber auch Gäste wie der luxemburgische Trompeter Ernie Hemmes oder die österreichische Sängerin Veronika Morscher setzen hier Akzente in den gefühlvollen Songs dieser Scheibe.
SHUTEEN ERDENEBAATAR & NILS KUGELMANN:
„Under The Same Stars“ (Motéma Music)
Sie sind privat und auf der Bühne Partner, die mongolische Pianistin Shuteen Erdenebaatar und der deutsche Bassist und Klarinettist Nils Kugelmann. Zwei junge Shootingstars der Jazzszene, die auch beide in Erdenebaatars Quartett gemeinsam musizieren. Hier sind sie abgesehen von ganz gelegentlichen Gästen im intimen Duo zu hören. Kugelmann spielt neben Kontrabass auch eine Kontra-Alt-Klarinette und zwischen Jazz, Klassik und weiteren Einflüssen entführt das Duo mit meditativen und romantischen Dialogen in tiefgründige, berührende Klangwelten. Wunderschön.
MAITE HONTELÈ & RAMÓN VALLE: „Havana“ (IN+OUT Records)
Noch ein Duo. Die niederländische Trompeterin Maite Hontelé und der kubanische Pianist Ramón Valle präsentieren hier ihr erstes Duoalbum, aufgenommen in Havanna, Kuba, nach einer Reihe von Auftritten beim Jazz Plaza Festival in der Woche zuvor. Hontelé ist Expertin für Latinmusic, für Salsa und kubanischen Son. Sie hat lange erfolgreich in Kolumbien gewirkt, bevor sie eine mehrjährige Pause vom Spielen einlegte. Längst ist sie zurück und nun auf dem Flügelhorn wieder zu hören. In wundervoll gefühlvollen Duetten mit Ramón Valle zeigt soe ihre ganze Gestaltunsgkraft und der Kubaner am Piano ist dabei mehr als nur bloßer Begleiter. Traumhaft schön.
NILS PETTER MOLVÆR: „KHMER Live In Bergen“ (Edition Records)
Es war sein Meisterwerk, mit dem er weltweit bekannt wurde. Als Nils Petter Molvær 1997 das Album „Khmer“ veröffentlichte, überschlugen sich die Kritiker. Und das zu Recht, denn wie der norwegische Trompeter und seine Band moderne Jazzimprovisation mit Dancefloor- und Elektronikelementen, Ambientsounds und Samples zusammenbrachte, das war großes Ohrenkino. Über ein Vierteljahrhundert später erscheint nun mit „KHMER Live In Bergen“ die Liveaufnahme eines Konzertes beim Nattjazz-Festival im norwegischen Bergen aus dem Mai diesen Jahres mit einer Live-Reimagination dieses Albums. Natürlioch auch mit Songs vom Originalalbum und einer Besetzung, bei der auch Musiker mitwirken die damals schon dabei waren, so wie Gitarrist Eivind Aarset und Drummer Rune Arnesen. Zudem sind nun spätere langjährige musikalische Weggefährten des Trompeters dabei, wie Bassist Audun Erlien oder Sample-Künstler Jan Bang. Für Fans von NPM ist dieses Album sowieso ein Muss. Alle anderen werden sich der Magie dieser noch immer frisch klingen Soundwelt aber ebenso wenig entziehen können.
FREDERIK KÖSTER / NDR BIGBAND: „K. On The Shore“ (Traumton Records)
Die Idee zu diesem Album kam vom Manager der NDR Bigband, der Frederik Köster fragte ob er nicht ein Programm für die Bigband komponieren wolle mit den Romanen des surrealistischen japanischen Bestsellerautoren Haruki Murakami als Thema. Der Trompeter wollte und machte sich an die Arbeit. Herausgekommen ist mit „K. On The Shore“ eine bunt schillernde, achtsätzige Suite, die durch unterschiedliche Besetzungen von Duo bis zu Orchesterstärke, dem häufig gegen den Strich gebürsteten Schlagzeugspiel von Jonas Burgwinkel oder seiner beit gefächerten klanglichen Farbenpalette einen zeitgenössischen Bigband-Jazz bietet, den man einfach genießen kann - auch ohne die Romanvolragen des Japaners zu kennen.
GISELA HORAT TRIO: „Live in Leipzig“ (Unit Records)
Stille als Konzept beim Musikmachen. Offene Räume, die ganz unterschiedlich gefüllt werden mit Improvisationen, die aus dem Moment heraus voller kleiner klanglicher Teilchen entstehen. Eine Musik, die immer wieder überrascht zwischen Minimal Music, freier Improvisation und Jazz. Das Schweizer Gisela Horat Trio mit Pianistin Gisela Horat, Bassist Simon Iten und Schlagwerker Samuel Büttiker fordert auf der live im Juni 2024 im Mediencampus Villa Ida in Leipzig mitgeschnittenen Konzertaufnahme die Zuhörer schon ganz gehörig, denn zwischen Dissonanz und Harmonie, zwischen Struktur und Freiheit, ist hier alles möglich. Ein intensives, klangmalerisches Musikerlebnis, dieses außergewöhnliche Trio.
SARA BAX: „She´s The Poem“ (Challenge Records)
Poetische Portraits in farbenfrohe und emotional gefärbte Musik gepackt – das Album „She´s The Poem“ der niederländischen Sängerin und Komponistin Sara Bax bietet zehn wunderschöne Lieder, die mit ihrem entspannten erzählerischen Gesangsstil überzeugen. In gleich fünf Sprachen (Englisch, Niederländisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch) porträtiert Bax unterschiedliche Personen, die aus ihrem persönlichen Umfeld stammen könnten bis hin zur mexikanischen Malerin-Ikone Frida Kahlo. Begleitet von Pianist Jeroen van Vliet, Flügelhornist Angelo Verploegen, Cellist Joshua Herwig und Schlagzeuger Maximilian Hering präsentiert sich hier eine ausdrucksstarke Sängerin als Künstlerin voller Tiefe und Sensibilität.