Neues aus der CD-Welt
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 71
TEXT: Christoph Giese |
THE PETE McGUINESS JAZZ ORCHESTRA: „Mixed Bag“ (Summit Records)
Mögen sie einen klassischen, variablen Bigband-Sound, mit tollen Instrumentalsoli und einem Orchesterleiter, der ein vorzüglicher Jazzsänger ist, komponieren und arrangieren kann? Dann sind sie bei „Mixed Bag“, ein übrigens treffender Albumtitel für diese vielfältige Aufnahme, vom Pete McGuiness Jazz Orchestra genau richtig. Denn „Mixed Bag“ verwöhnt den Bigband-Liebhaber vom ersten bis zum letzten Ton, von den wundervoll arrangierten Jazzstandards bis zu den Eigenkompositionen. McGuiness, der auch Posaune spielte (eine neurologische Erkrankung zwang ihn damit aufzuhören), und sein Orchester spielen sich hier mit Eleganz und Raffinesse, aber auch mit herrlichem Swing durch verschiedene Stile und Stimmungen. Und als Sänger mit viel Schmelz in der Stimme kann der Bandleader auch punkten. Großartiges Album.
EISHAN ENSEMBLE: „Northern Rhapsody“ (Acel)
Wie klingt eine Mischung aus klassischer persischer Musik und modernem Jazz? Sie kann so klingen wie beim Eishan Ensemble. Das Quartett mit dem iranischen Tar-Spieler Hamed Sadeghi, Altsaxofonist Michael Avgenicos, Perkussionist Adem Yilmaz und Kontrabassist Max Alduca spielt auf „Northern Rhapsody“ eine schillernde und funkelnde, von den Landschaften Australiens, der Wahlheimat Sadeghis, inspirierte Musik. Der Sound der persischen Langhalslaute Tar passt wunderbar zu dem vom Altsaxofon und den luftigen Rhythmen von Bass und Perkussinen. Sadeghi, der die Band leitet, hat alle Stücke komponiert. Es ist genreübegreifende, emotionale Musik zwischen Folkore, Improvisation und Jazz, die frisch und interessant klingt.
ALEXANDRINA SIMEON QUINTETT & BENNY BROWN: „Quiet Girl“ (Laika)
Geboren am Schwarzen Meer in Bulgarien lebt Alexandrina Simeon mittlerweile am Lech in Augsburg. Mit „Quiet Girl“, der Albumtitel lässt es schon erahnen, hat die so ausdrucksstarke Sängerin mit ihrem langjährigen Quintett ein ruhiges, intimes Werk eingespielt. Eine Platte voller Jazzstandards, auf der Simeon ihre eindringliche, facettenreiche Stimme schön entspannt zur Geltung bringen kann. Als Gast ist auf fünf Stücken Trompeter Benny Brown dabei. Einen Titel auf deisem Album zu favorisieren fällt schwer. Aber Simeons Interpretation von Jimmy Rowles´ „The Peacocks“ geht schon ziemlich unter die Haut. Und Jobims Bossanova „Dindi“ als federleichte Samba zu spielen, das hat was.
BRAM DE LOOZE / THOMAS MORGAN / JOEY BARON / HANK ROBRTS:
„Live at Brussels Jazz Festival (Edition X Flagey 2025) (Challenge)
Schon mal von Bram De Looze gehört? Okay, man könnte den Mittdreißiger von der belgischen Nordseeküste schon kennen von dem einen oder anderen Projekt, bei dem er mitwirkt, wie etwa dem LABtrio. Aber bei der zehnjährigen Jubiläumsausgabe des Brussels Jazz Festival Flagey stand der Pianist im Januar als „Artist in Residence“ nun so richtig schön im Mittelpunkt. In jedem Jahr wählt das Festival einen Brüsseler oder zumindest in Brüssel lebenden belgischen Musiker aus, der sich dann an mehreren Abenden mit unterschiedlichen Projekten präsentieren darf. Bram De Looze tat das am ersten Festival-Wochenende vor allem mit einem Traum-Quartett. Drei Amerikaner an der Seite des Belgiers. Und Kontrabassist Thomas Morgan, Schlagzeuger Joey Baron und der sehr präsente Cellist Hank Roberts zauberten gemeinsam mit De Looze in dessen starken Kompositionen und auch großartigen Stücken von Hank Roberts einen feinsinnigen, zumeist ruhig fließenden, zeitgenössischen Kammerjazz, bei dem sich zarte improvisatorische Gespräche untereinander im Rahmen des komponierten Materials wunderbar entspinnen konnten. Beseelt, mit einer Intimität gespielt, am Schluss dann sogar groovig. Und die Aufnahmebänder liefen glücklicherweise mit.
ZURICH JAZZ ORCHESTRA feat. THOMAS GANSCH: „Neat Little Songs“ (Mons)
Der Gast steuert alle Stücke auf diesem Album bei und spielt natürlich auch alle Trompeten- und Flügelhornsoli auf dieser Einspielung. Der Österreicher Thomas Gansch und das von Ed Partyka, der hier auch für die Arrangements zuständig ist, geleitete Zurich Jazz Orchestra, das passt wunderbar. Elf Jahre arbeiten der virtuose Trompeter und das Orchester bereits zusammen. „Neat Little Songs“ ist die erste gemeinsame CD. Darauf zu hören ist frischer, gewitzter, moderner Bigband-Jazz, der sich aber auch bei Klassik und Volksmusik bedient und gar Filmmusik-Qualitäten besitzt. Der Opener „Hot Feet“ könnte locker als Titelmelodie einer Krimiserie fungieren, während „Steirer 3er“ feinste, augenzwinkernde Tanzmusik mit hymnischer Strahlkraft ist und „New Orleans“ groovig-locker zu den Wurzeln des Jazz führt. Was für ein herrlicher Musikspaß!
MATHIEU CLEMENT: „Ruma“ (Double Moon Records)
Auch der junge Luxemburger Schlagzeuger Mathieu Clement verströmt auf „Ruma“ so ein wenig Bigband-Feeling. Ist seine Band doch ein Septett mit gleich vier Bläsern, das für volle und satte Klangbilder sorgt. Im Genre Straigh Ahead-Jazz tummelt sich diese vorzügliche Truppe, in Hardbop, Bebop und Swing. Aber durch alle vom Bandleader selbst komponierten Stücke weht immer auch ein frischer und durchaus zeitgemäßer Wind. Das macht diese Einspielung auch so hörenswert. Jazztradition kann auch im Jahre 2025 aufregend klingen.
MICHAEL ARBENZ MEETS ANDY SHEPPARD:
„From Bach To Ellington – Live“ (Eigenveröffentlichung)
Intime Jazzdialoge zwischen Klavier und Tenorsaxofon, das ist es was der Schweizer Pianist Michael Arbenz und der britische Saxofonist Andy Sheppard auf ihrem im Auguts letzten jahres im Baseler Jazzclub Bord´s Eye live eingespieltem Duoalbum präsentieren. Es ist wunderschöne, beseelte Musik, die die zeitloses Eleganz von Bach mit der lyrischen Schönheit von Duke Ellington, von dem auch die meisten Kompositionen dieses Albums stammen, verbindet. Aber beide Musiker spielen diese Musik nicht nur, sie diskutieren mit ihren Instrumenten darüber, sie packen ihre eigene Persönlichkeit in die Stücke und laden den Hörer ein dabei aufmerksam zuzuhöen.
OLIVIA TRUMMER: „Like Water“ (Warner Music Italy)
Schon ein paar Jahre lang hatte sie den Wunsch mal eine Soloplatte zu machen. Nun hat Olivia Trummer diesen Wunsch mit „Like Water“ umgesetzt. Nur ihr Klavierspiel und ihre Stimme sind zu hören. Produziert von Russ Titelman, der ein Video von ihr auf Youtube sah und sie kontaktierte und der schon mit Muskgrößen wie Steve Winwood, Eric Clapton oder George Harrison arbeitete, ist ein Album entstanden, auf dem die gebürtige Stuttgarterin zeigt, dass sie eine Albumlänge ganz alleine verzaubern kann. Mit Eigenkompositionen und Hits wie „My Baby Just Cares For Me“, Stevie Wonders „You Are The Sunshine Of My Life“ oder Leonard Bernsteins „Somewhere“. Hörbare Bezüge zur Klassik und eine herrlich mediterrane Leichtigkeit – das in New York eingespielte „Like Water“ kann auf ganzer Linie überzeugen.
HAGGAI COHEN-MILO: „Gravitations“ (XJAZZ! Music)
Es ist ein Auftragswerk der Symphoniker Hamburg. „Gravitations“ heißt es, wurde live in der Hamburger Laeiszhalle eingespielt und drei klassische Meisterwerke dienten als kreativer Ausgangspukt für die Komposition des israelischen Bassisten Haggai Cohen-Milo: Mahlers „Das Lied von der Erde“, Verdis „Requiem“ und Debussys „Prélude à l´après-midi d´un faune“. Wer jetzt aber eine üblich verjazzte Klassik erwartet auf dem Album, wird sich wundern. Denn Cohen-Milo und sein vorzügliches Ensemble mit den Drummern Amir Bresler und Ziv Ravitz, den Saxofonistinnen Maria Grand und Emma Rawicz, zwei Trompetern, Gitarre oder Keys und dem Spoken Word-Künstler Stimulus transformieren ihre Inspirationen aus den Vorlagen in völlig neue, aufregende Kontexte zwischen Jazz, Improvisation und Sprechkunst.
SANDRO ZERAFA: „Limestone / Mostly Slow Tunes“ (PJU Records)
Neues vom schon lange in Frankreich lebenden maltesischen Gitarristen Sandro Zerafa. Mit „Limestone / Mostly Slow Tunes“ veröffentlicht der Gitarrero eine Doppel-CD mit zwei ganz unterschiedlichen Facetten. „Limestone“ ist eingespielt mit seinem Quartett, das aus Pianist Noé Huchard, Bassist Yoni Zelnik und Drummer Francesco Ciniglio besteht. Zu hören sind acht neue Kompositionen Zerafas, die fein und elegant swingen, aber auch mal sanft und lyrisch dahingleiten, immer durchsetzt vom warm tönenden Single Note-Spiel des Gitarristen. „Mostly Slow Tunes“ hingegen ist das erste Soloalbum des Maltesers. Ganz puristisch, ohne Effekte und Overdubs eingespielt, beleuchtet Sandro Zerafa hier Material aus dem Great American Songbook, aus Brasilien oder einen Traditional aus Neapel aus seinem ganz eigenen Blickwinkel. Sehr fein.