Neues aus der CD-Welt
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 66
TEXT: Christoph Giese |
PETER EHWALD / TOM RAINEY / STEFAN SCHULTZE: „Public Radio“ (jazzwerkstatt)
Spontane Improvisationen, das ist es was dieses Trio mit dem Tenorsaxofonisten Peter Ehwald, dem Pianisten Stefan Schultze und dem US-Drummer Tom Rainey auf „Public Radio“ neun Stücke lang zelebriert. So was funktioniert nur so gut wie hier, wenn man sich bestens kennt, was bei diesen drei Musikern der Fall ist. Alleine mit diesem Trio haben Ehwald, Schultze und Rainey schon zwei Alben, überwigend mit kompobiertem Material, veröffentlicht. Nun die gemeinsame Klangsuche, rund um die oft minimalistischen Töne eines präpariereten Klaviers. Man hört sich gegenseitig zu und entwickelt Ideen, die spontan kommentiert und weitergeführt werden. Nicht durchgängig ist das hochspannend, so manches Mal aber eben doch. So wie beim balladesken „Promise“, das neben dem Intellekt auch noch das Gefühlszentrum beim Zuhören ordentlich antriggert.
AL DI MEOLA: „One Of These Nights“ (in-akustik)
Dieser Konzertmitschnitt aus der Scala in Ludwigsburg stammt zwar schon aus dem Jahre 2004, erblickt aber erst jetzt das Licht einer Veröffentlichung. Auf die sich Fans des Meistergitarristen freuen können, denn der US-Amerikaner zeigt sich auf dieser Doppel-CD mit seiner um ein Streichquartett erweiterten Band in bester Verfassung in einem Programm mit Stücken aus drei Karriere-Jahrzehnten. Zwischen romantischer Kammermusik, lateinamerikanischen Klängen und filigranem Jazz und Jazzrock nimmt Al Di Meola das Publikum mit auf ausgedehnte, vielschichtige Klangreisen.
BLACK FLOWER: „Kinetic“ (Sdban Ultra)
Ethio-Jazz, Orientalisches, Dub und Afrobeat – daraus basteln sich Black Flower eine süffige musikalische Fusion. Das Quintett aus Belgien sieht „Kinetic“ als Aufruf durch das Chaos des Lebens zu tanzen und die Kraft der Bewegung als Werkzeug zur Befreiung zu nutzen. Tanzbar ist der Black Flower-Sound mit seinen mitunter energetischen Rhythmen auf jeden Fall. Auch wenn sich manche Nummer mindestens genau so gut einfach nur zum Anhören eignet. Frisch klingt die Band und macht Spaß, ob man nun dazu herumzappelt oder auch nicht.
SILVAN STRAUSS: „Flukin´“ (Kabul Fire Records)
Ein echter Beat-Master ist der Hamburger Schlagzeuger Silvan Strauss, was ihn schon 2021 den Hamburger Jazzpreis gewinnen ließ und bis aus renommierte Montreux Jazz Festival brachte. Innovativ zu musizieren, das hat der Schlagwerker auch für sein neues Werk „Flukin´“ beherzigt, das akustischen Jazz mit Neosoul, HipHop, Gnawa oder Electronica geschickt verknüpft. Ilustre Gäste wie der britische Keyboarder Joe-Armon Jones oder der Gnawa-Musiker Mehdi Qamoum sorgen für spannende Stücke Musik, die auch noch superlässig und hip rüberkommt.
JAVIER ROJO: „Música Para Amansar Fieras“ (Fresh Sound New Taelnt)
Der junge, aktuell in Basel lebende spanische Tenorsaxofonist Javier Rojo hat schon mit einigen großen Namen des internationalen Jazz zusammengespielt wie etwa Chano Dominguez, Aaron Parks oder Lionel Loueke. Nun veröffentlicht der Spanier sein Debütalbum. Eine feine, zeitgemäße Jazzplatte, eingespielt im Sextett, mit Klaviertrio, Gitarrist und Trompeter Álvaro Ocón als zweiter Bläserstimme. Schön die Unisono-Passagen der beiden Bläser, entspannt der Swing, treibend die boppigen Passagen, zart und gefühlvoll die Balladen - Rojos Eigenkompositionen bieten so einiges. Ob das jetzt alles Musik ist um Tiere zu zähmen, wie es der Albumtitel verspricht, wäre auszuprobieren.
MARTON JUHASZ: „Metropolis“ (Unit Records)
Ist Fusion-Jazz nicht tot oder zumindest ein alter Hut? Vielleicht, aber nicht wenn man ihn so intepretiert wie Marton Juhasz auf „Metropolis“. Der ungarische Schlagzeuger schnappt sich da auch schon mal Afrobeats, über die sich sein vorzüliches Quintett genüsslich ausbreiten kann. Das klingt dann frisch und überhaupt nicht altbacken, wie überhaupt jedes vom Bandleader höchstpersönlich geschriebenes Stück sich um frische Ideen bemüht. So lässt sich mit Juhasz´ Musik prima in den 1970er und 80er Jahren schwelgen, ohne sich total retro zu fühlen. Denn hier wird Musik gemacht, die immer auch die Gegenwart im Blick hat.
MATHIAS EICK: „Lullaby“ (ECM Records)
Eine Platte voller Wiegenlieder, wer könnte die besser einspielen als der Norweger Mathias Eick mit seinem lyrischen, luftigen warmen Ton auf der Trompete! Hier gibt es Musik, die sicher beim Einschlafen hilft, aber mindestens genau so gut ist, um sie beim Tagträumen, zum Entspannen oder einfach zum puren Genießen nutzen möchte. Bei den alle von Eick komponierten Stücken dieses im berühmten Rainbow Studio in Oslo eingespieltem Werk schwingt immer ein Hauch nordischer Volksmusik mit, was den Reiz der Stück natürlich mit ausmacht. Mit Pianist Kristjan Randalu, Bassist Ole Morten Vågan und Drummer Hans Hulbækmo hat Eick zudem drei sehr feinfühlige Msuiker dabei, die als echtes Ensemble hier wirken. Wer traumschöne Msuk mag, wird mit „Lullaby“ mehr als glücklich werden.
YUVAL COHEN QUARTET: „Winter Poems“ (ECM Records)
We bei Mathias Eick so richtig schön ins entspannte Hören gekommen ist, kann gleich mit dem israelischen Sopransaxofonisten Yuval Cohen und seinen „Winter Poems“ weitermachen. Auch der dritte Spross der Cohen-Familie (neben Trompeter und Bruder Avishai und Klarinettistin, Saxofonistin und Schwester Anat) ist nun bei ECM unter Vertrag und kann mit seinem mit Klavier, Bass und Schlagzeug besetzten Quartett voll überzeugen. Mit beseelten Eigenkompositionen, die seinen puren, lyrischen, ausdrucksstarken, gefühlsbetonten Sopransax-Klang so richtig zur Geltung kommen lassen. So ist „Winter Poems“ ein wunderschönes, gefühlvolles Kammerjazz-Album vom ersten bis zum letzten Ton geworden.