Neues aus der CD Welt
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 62
TEXT: Christoph Giese |
JOHANNES ENDERS: „The Creator Has A Masterplan B“ (enja Records)
Er mag es großen Saxofonisten des Jazz mit eigenen Alben seine Ehre zu erweisen. Nun also Pharoah Sanders, der das Saxofonspiel von Johannes Enders sicher auch mitgeprägt hat. Wer aber vom Weilheimer Saxofon-Koloss nun eine Werkschau des verstorbenen US-Amerikaners erwartet, hört auf „The Creator Has A Masterplan B“ dagegen fünf eigene Stücke von Enders, drei seines Bassisten Joris Teepe, eine Nummer des Trios und einen Jazzstandard. Aber egal was die drei hier spielen, es sind spannende Stücke Musik, in denen der Deutsche sein Tenorsaxofon zwischen kraftvoll und lyrisch bewegt. Enders darf seine genze Wandlungsfähigkeit und Ausdruckspalette hier genüsslich zeigen, bieten ihm der tänzelnde Bass von Teepe und das ungemein breit aufgestellte Schlagzeugspiel des schon 84-Jährigen Billy Hart doch immer wieder das Feld dafür. Jazz voller Freiheiten, aber dennoch mit kollektivem Bewusstsein gespielt.
JACOB KARLZON: „Winter Stories“ (Warner Music Arts)
Er wolle kein konventionelles Weihnachsalbum machen, sondern ein Winteralbum, sagt der Protagonist dieser Aufnahme. Und so heißt die neue Platte des schwedischen Pianisten folgerichtig auch „Winter Stories“. Und das trifft es sehr gut. Denn solo am Steinway-Flügel erzeugt Jacob Karlzon mit seinem lyrischen, atmosphärischen Klavierspiel eine wohlige Winterstimmung. Dabei spielt der Schwede Stücke aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Traditionelle Weihnachtslieder sind dabei, aber gleich zu Beginn auch Taylor Swifts zauberhaft balladesk gespieltes „Evermore“ oder der Jazzstandard „A Child Is Born“. Was immer Karlzon hier mit zartem Anschlag spielt, es ist beseelte, herzerwärmende Musik., perfekt passend für die kalte Winterzeit.
YOUNEE: „Improvisations – Live In Germany“ (Fulminantmusic)
Noch einmal Solopiano, aber ganz anders. Denn die Südkoreanerin Younee zeigt auf ihrem Doppelalbum „Improvisations – Live In Germany“ neben zartem Spiel auch viel Biss und Virtuosität. Auf mehreren Tourneen durch Deutschland ist dieses Album mitgeschnitten worden und zeigt die Pianistin als neugierige Künstlerin, die sich perfekt zwischen den Schnittstellen von Komposition und Improvisation bewegen und traumhaft schöne Musik zwischen Klassik und Jazz spielen kann. Auch gerne mal auf Zuruf aus dem Publikum, wie bei einem Konzert in Nürnberg. Da ruft ihr eine Zuschauerin „Kuba“ zu. Sie sei zwar noch nie auf Kuba gewesen, kam als Antwort von Younee, doch dann nimmt sie das Publikum dennoch mit auf eine musikalische Reise nach Havanna.
MOSAIC: „Mosaic“ (Cornerstone Records)
Hinter Mosaic steckt ein illustres Quartett um den Recklinghäuser Vibrafonisten Stefan Bauer. Mit Bassist Matthias Akeo Novak, dem irischen Tenorsaxofonisten Matthew Halpin und dem schon 80-jährigen kanadischen Drummer Terry Clarke hatte Bauer in dieser Besetzung zuvor noch nie zusammengespielt, bevor man sich im Dezember 2023 für zwei Konzerte in Warendorf und in Dortmund traf. Die Aufnahmebänder liefen mit und voilà, hier gibt es nun acht Stücke, fast alle von Stefan Bauer komponiert, zu hören, die das Rad des Jazz nicht neu erfinden, wie der Vibrafonist selbst zugibt, die hier aber eine ganze Stunde feinsten, locker swingenden Mainstream Jazz zelebrieren. Mit Musik voller Wärme und Emotionen und wunderbarer Kommunikation untereinander. Ein lohnesnwertes Album!
HEIKKI HALLANORO: „Soul Songs Volume 1 & 2“ (Mons Records)
Zwei Tonträger mit Klavierballaden, solo eingespielt an einem über 100 Jahre altem Klavier in seiner Heimatstadt Oulu in der Mitte Finnlands. Neunzehn Miniaturen, die mit gedämpften Klang zum Träumen und totalem Relaxen einladen und von der Gesamtlänge eigentlich auch auf einen Tonträger gepasst hätten. Der finnische Pianist und Komponist Heikki Hallanoro, der als studierter Astronom die Ursprünge der Saturnringe entdeckte, hat mit „Soul Songs Volume 1 & 2“ den perfekten Soundtrack für kalte, gemütliche Winterabende am Kamin oder vor der Heizung eingespielt. Dass Hallanoro übrigens auch noch in einer Punkband spielt, mag man angesichts der hier veröffentlichten Seelensongs kaum glauben.
FEDERICA FERRARI: „Silêncio“ (ATS Records)
Eine Italienerin mit Wohnsitz in Wien, die Musik des Brasilianers Edu Lobo singt – warum nicht? Vor allem wenn man das so gut macht wie Federica Ferrari. Zwölf Stücke der inzwischen schon 81-Jährigen Legende der MPB, der Música Popular Brasileira, hat sich Ferrari ausgesucht. Mit einem europäisch-südamerikanischen Sextett um den ebenfalls in Österreich lebenden, brasilianischen Gitarristen Marco Antonio Da Costa, der auch für die meisten Arrangements der Songs verantwortlich zeichnet, sowie zwei Gästen gelingt es der ziemlich gut auf Portugiesisch singenden Italienerin Edu Lobo-Klassikern wie „Reza“ oder dem „Cançao Do Amanhecer“ zwischen Bossa und Jazz neue Klangfarben, auch durch in brasilianischer Musik eher untypische Instrumente wie Mundharmonika oder Vibrafon, einzuverleiben. Großartig!
ILJA RUF TRIO: „Halftime Show“ (gpARTS)
Der Vater ist der bekannte Dirigent und Klarinettist Bernd Ruf. Und der Herr Papa spielt bei einem Stück auch mit. Ebenso ist der schwedische Posaunenstar Nils Landgren als Gast bei einer Nummer zu hören. Aber der Pianist und Sänger Ilja Ruf hat berühmte Kollegen gar nicht nötig, denn seine „Halftime Show“ ist auch als Trioalbum mit Bassist Niklas Müller und Schlagzeuger Hannes Pries ein echter Genuss. Bewegen sich die drei jungen Musiker der Generation Z in den neun Stücken aus der Feder des Bandleaders doch mit einer wunderbaren Leichtigkeit zwischen Jazz, Klassik und Pop, darunter eine herrlich abgedrehte Nummer, dass es eine wahre Freude ist.
JAN BIERTHER: „El Gordo – Jazz Christmas“ (A1 Records)
Lange hätte er sich nach eigenem Bekunden so gar nicht vorstellen können eine Weihnachts-CD aufzunehmen. Aber dann hat es ihn gepackt und er hatte selten so viel Spaß an einer Produktion. Sagt der Essener Gitarrist Jan Bierther über „El Gordo – Jazz Christmas“. Und bietet auf dem Album knapp eine Stunde weihnachtliche Musik, die mit dem üblichen Kitsch nur wenig zu tun hat. Stattdessen servieren Bierther, Keyboarder und Vokalist Bo Heart, Bassist Martin Engelien und Drummer Sebastian Bauer feine jazzige Versionen von berühmten Weihnachtsliedern, mit „Samba Klaus“ aber auch mal eine Eigenkomposition, die statt Weihnachtsbaum eher an die Copacabana denken lässt. Und das rotnasige Rentier Rudolph als total lässiger Reggae, das hat was.