Neues aus der CD-Welt
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 56
TEXT: Christoph Giese |
FERNANDO BROX QUINTET: „From Within“ (Fresh Sound)
Sein viertes Album unter eigenem Namen veröffentlicht der in Malaga geborene und im schweizerischen Basel lebende Flötist und Komponist Fernando Brox mit „From Within“. Mit den vier Bandmitgliedern seines Qintetts an Gitarre, Klavier, Bass und Schlagzeug spielt der Spanier seinen auschließlich selbstkomponierten, folkloristisch gefärbten, melodiösen Jazz voller Leidenschaft, zumeist beschwingt und mit tänzelnden Grooves. Und mit Freiräumen, die die Musiker für beseelte Improvisationen und Soli bestens zu nutzen wissen.
GERMANA STELLA LA SORSA: „Primary Colours“ (33 Jazz Records)
Als frische und sehr erfrischende Stimme des Jazzgesangs präsentiert sich Germana Stella La Sorsa auf ihrem zweiten Studioalbum „Primary Colours“. Die in London lebende Italienerin phrasiert und koloriert wunderschön mit ihrer eindringlichen, aber nie aufdringlichen Stimme. Ihre Band mit Hammond Organist Sam Leak, Gitarrist Tom Ollendorff und Schlagzeuger Jay Davis und Harfenistin Tara Minton als Gast bei zwei der sieben Stücke ist zudem fantastisch. Die Musik, fast ausschließlich von der Sängerin selbst geschrieben und getextet, groovt fein. Contemporary Jazz mit Biss und Seele, der von der ersten bis zur letzten Note total viel Spaß macht!
NDUDUZO MAKHATHINI: „uNomkhubulwane“ (Blue Note)
Eine Hommage an die Zulu-Göttin uNomkhubulwnane ist das gleichnamige, elfte Studioalbum des südafrikanischen Pianisten, Komponisten dun ausgebildeten Heilers Nduduzo Makhathini. Es ist ein tiefgründiges Musikwerk geworden, das die tragische Geschichte der Unterdrückung Afrikas beleuchtet. Als Suite in drei Teilen konzipiert spielen Makhatini, Bassist Zwelakhe-Duma Bell Le Pere und Schlagzeuger Francisco Mela eine tief spirituelle Musik, einen dichten und von südafrikanischen und Zulu-Traditionen durchwobenen Jazz. Außergewöhnlich!
ATSE TEWODROS PROJECT: „Maqeda“ (Galileo MC)
Bereits vor 14 Jahren hat die italienisch-äthiopische Sängerin und Schriftstellerin Gabriella Ghermandi das Atse Tewodros Project ins Leben gerufen um den Austausch zwischen italienischen und äthiopischen Musikern zu fördern. Und so finden sich auf dem Album „Maqeda“ auch Musiker aus beiden Länderin vereint. Traditionelle äthiopische Instrumente treffen auf westliches Instrumentarium in einer Musik, die ein interessanter Mix aus äthiopischen Traditionen und teils mündlich überlieferter Musik und zeitgenössischem Jazz ist. Mit Texten in mehreren Sprachen - immerhin gibt es in Äthiopien mehr als 80 Sprachen und 200 Dialekte.
THOMAS SIFFLING: „Gentleman´s Choice“ (Jazz´n´Arts)
Lässig steht er auf dem Cover seiner neuen CD an einer Bar gelehnt, schick im Anzug, links das Flügelhorn in der Hand, rechts ein Glas Whiskey. Und so klingt auch das Album von Thomas Siffling. Entspannt, lässig, elegant. Echte Wohlfühlmusik bietet der Mannheimer Trompeter in Quintettbesetzung. Smoothe, luftige Klänge mit seinem butterweichen Flügelhornspiel zu veredeln, das hört sich hier wirklich gut an. Und Siffling, der Tausendsassa, Jazzclub- und Label-Betreiber sowie Festivalkurator, hat auch kein Problem damit soche Musik zu spielen. Man fragt sich vielleicht nur warum so viele Jazztrompeter irgendwann auch anfangen zu singen. Siffling macht das hier zum ersten Mal und auch gar nicht einmal schlecht. Als Instrumentalabum aber wäre „Gentleman´s Choice“ keinen Deut weniger interessant.
GERT KAPO: „Amanet“ (Royal Street Records)
Ziemlich spannend klingt das, was Gert Kapo auf seinem Solo-Debütalbum „Amanet“ aufgenommen hat. Der Pianist und Komponist stammt aus Albanien, was man dieser Einspielung glücklicherweise auch anhört. Denn albanische Volkslieder, aber auch ein syrisches Liebeslied und viel Selbstkomponiertes sind auf dieser Einspielung zu höen. Und auch dass Kapo Klassik, Rock, Fusion und brasilianische Musik liebt. Mit dem Gitarristen Nenad Gajin, Schlagwerker Rhani Krija oder Altsaxofonist Hayden Chisholm hat Kapo Super-Musiker um sich geschart um seinen immer wieder überraschend klingenden Jazz zu spielen. Eine echte Entdeckung, dieser Mann.
CARLOS NIÑO & FRIENDS: „Placenta“ (International Anthem)
Optisch erinnert er mit seinem langen Bart irgendwie ein wenig an Jesus. Spirituell ist er auch, der Carlos Niño. Und auch die Musik des Perkussionisten, Musikproduzenten, Radiomanns, DJs und Poeten aus Kalifornien klingt immer ein wenig entrückt. Es wabert, pulsiert oder fließt immer irgendwas im Hintergrund seiner Songs die er selbst als spirituell, improvisiert und als Space-Collagen beschreibt. So ist „Placenta“, eingespielt mit einem ganzen Pool an Musikern, die zumeist in Los Angeles beheimatet sind, ein Album geworden, das wie im Moment entstanden klingt, wie ein 77-minütiger Jam. Ist das Jazz? Irgendwie ja, im weitesten Sinne. Es ist ein Album das sich um das Thema Geburt und den Geist der Familie dreht. Alles wirkt ein wenig esoterisch, aber nur wirklich ein wenig. Ansonsten wunderschön und so ganz anders.
SML: „Small Medium Large“ (International Anthem)
Ebenfalls aus Kalifornien stammt ein neues Quintett das sich SML nennt, „Small Medium Large“. So heißt auch das Debütalbum von Bassistin Anna Butterss, Tastenmann Jeremiah Chiu, Saxofonist Josh Johnson, Drummer Booker Stardrum und Gitarrist Gregory Uhlmann. Alle fünf zählen zur den Cracks der Jazz-, Improvisations- und Indie-Musikszene von Los Angeles und spielen hier eine Musik, die auf De- und Rekonstruktionen spontaner Kompositionen basiert. Mit Live Sampling, elektronischen Sounds und Synthesizern entstehen schräge, kleine Musikmomente mit vielen diversen Klängen. Aber die Band kann auch fette, packende Grooves. Sehr spannend diese Kombination.