Neues aus der CD-Welt
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 46
BÜŞRA KAYlKÇl: „Places“ (Warner Classics)
MICHEL REIS: „For A Better Tomorrow“ (Cam Jazz)
Zwei mal Solopiano, aber mit ganz eigenen Ansätzen. Die gebürtige Istanbulerin Büşra Kayιkçι ist auch studierte Innenarchitektin und „gestaltet“ ihre Musik indem sie Farben, Formen und Stimmungen miteinander kombiniert, ausprobiert, was gut zusammenpasst. Eine Grundidee reicht da oft um ein ganzes Stück gefühlvoller Musik zu schaffen, das dann an manchen Stellen auch noch mit elektronischen Effekten und industriellen Sounddesigns erweitert wird. Sehr interessant dieser Ansatz und das Ergebnis. Auch der Luxemburger Pianist Michel Reis präsentiert sich auf „For A Better Tomorrow“ als gefühlvoller Tastendrücker, der sich in den elf sehr klassisch anmutenden Stücken des Albums viel Zeit nimmt um seine Ideen in Ruhe klingen zu lassen – und dabei so manche traumhafte Melodie und auch Stimmung kreiert.
WES MONTGOMERY & WYNTON KELLY TRIO:
„Maximum Swing: The Unissued 1965 Half Note Recordings“ (Resonance)
Man hört Stimmengemurmel und andere Geräusche im Hintergrund, der Sound ist auch nicht so brillant, wie man ihn heute so gewohnt ist. Egal, dieses Album, aufgenommen im New Yorker Jazzclub Half Note mit dem Wynton Kelly Trio und unterschiedlichen Bassisten wie Ron Carter oder Paul Chambers, das für Pat Metheny das beste Jazzgitarrenalbum überhaupt ist, lohnt sich. Denn Gitarrist Wes Montgomery war 1965, drei Jahre vor seinem plötzlichen Tod, auf dem Höhepunkt, spielt hier eine weiche, warme, seelenvolle, swingende Jazzgitarre wie kein Zweiter. Schön von einem der einflussreichsten Jazzgitarristen nun so eine wundervolle Doppel-CD hören zu können, bestehend aus Eigenkompositionen und Jazzstandards.
HORST-MICHAEL SCHAFFER & JBBG:
„The Space Between Us“ (Natango Music)
JAKOB HELLING CONCERT BIG BAND feat. FAY CLAASSEN:
„Nerds & Sweeties“ (QUinton Records)
Bigband mit Pop-Faktor – die Jazz Bigband Graz unter der Leitung des österreichischen Trompeters, Sängers, Komponisten und Produzenten Horst-Michael Schaffer serviert genau das auf „The Space Between Us“. Fünf Stücke von Schaffer sind auf dem Album, vier davon über zehn Minuten lang. Und die Grazer Bigband und ihre beiden Gäste Ben Arogundade (Spoken Word) und Yasmo (Rap) servieren einen leichtfüßigen Mix aus schönen Bläsermomenten, erstklassigen (Break-)Beats, einem fein groovenden Untergrund, und das alles eingebettet in einen jazzpoppigen Kontext, der jedoch Raum lässt für spannende Improvisationen. Eine interessante Bigband-Scheibe der etwas anderen Art. Interessant klingt auch die Jakob Helling Concert Big Band, und das auch, aber nicht nur wegen Gastsängerin Fay Claassen. Die Holländerin zählt zu den großen europäischen Jazzstimmen und das zeigt sie hier. Wie sie phrasiert, wie sie ideenreich und elegant scattet. Aber auch der Bandleader zeigt hier was er kann. Der Bielefelder Trompeter, Komponist und Arrangeur Jakob Helling hat hier einen schönen Mix aus Standards und Eigenkompositionen immer spannend arrangiert. So macht großorchestraler Jazz abseits gängiger Klischees viel Spaß.
NATHAN FRANCIS QUINTET: „The House That Bobby Built“ (Ajabu!)
Ein New Yorker Bassist der sich in Finnland und der finnischen Musikszene wohlfühlt, das ist Nathan Francis, der hier gemeinsam mit dem russisch-finnischen Pianisten Vladimir Shafranov, dem slowenischen Trompeter Vid Šketa, sowie Saxofonist Manuel Dunkel, Schlagzeuger Aleksi Heinola und Marimbaspieler Mikko Antila als Gast auf einem Stück ein wunderbares Jazzalbum eingespielt hat, das dem verstorbenen US-Vibrafonisten Bobby Hutcherson gewidmet ist, durchaus dessen Idee von Jazzmusik atmet, dennoch als eigenständige Fusion diverser Jazzstile viel Spaß beim Hören macht.
EUGEN CICERO TRIO: „Lullabies“ (IN + OUT Records)
Viel zu früh vestorben ist der Pianist Eugen Cicero. Seinem Sohn, Sänger Roger Cicero, ereilte das Schicksal des frühen Todes sogar noch früher. Aber beide bleiben unvergessen. Papa Eugen, weil er seit seinem Album „Rokoko-Jazz“, das er 1965 herausbrachte und das sich weltweit über eine Million Mal verkaufte, als rasanter Swing-Pianist richtig Karriere machte. „Lullabies“, eingespielt mit dem Bassisten Decebal Badila und Schlagzeuger Ringo Hirth, wurde 1995, zwei Jahre vor Ciceros Tod, im Studio des Südwestfunks in Mainz aufgenommen. Zwölf Wiegenlieder wurden eingespielt, darunter das berühmte „Lullaby Of Birdland“ von George Shearing, aber auch „Guten Abend, gut´ Nacht“ von Johannes Brahms und weitere bekannte Lieder wie „Schlaf, Kindlein, schlaf“ und „Heidschi Bumbeidschi“. Auch ein eigenes Stück von Eugen Cicero an die eigene Tochter ist dabei. Und das Trio bringt das Material zum eleganten Swingen. Kaum einer konnte das so gut wie dieser Eugen Cicero.
SAMARY JOY: „A Joyful Holiday“ (Verve)
Die Weihnachtszeit ist ja auch immer die Zeit für Weihnachtslieder. Deshalb zum Schluss dieses Schnelldurchlaufs ein Tipp in Sachen Weihnachts-CD. Leder nur kappe 25 Minuten dauert der Weihnachtsmusik-Ausflug von Samara Joy. Die stimmstarke US-amerikanische Sängerin liefert aber sechs starke Weihnachtssongs im jazzigen Gewand ab. Dezent interpretiert ohne Kitsch, ohne Gefühlsduselei, dafür tiefemotional und gesungen mit wundervollen Kolorierungen. Da hört man sich Lieder wie den „Christmas Song“ oder „Have Yourself A Merry Little Christmas“ nur zu gerne an. Und „O Holy Night“, begleitet nur von einer Hammondorgel und fünf weiteren Stimmen – zauberhaft!