Neues aus der CD-Welt
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 45
TEXT: Christoph Giese |
MELANIE DE BIASIO: „Il Viaggio“ (Le Label/PIAS)
Eine Reise zu einem kleinen Bergdorf in den Abruzzen, dort wo ihr Vater geboren wurde, ein Trip in die Geschichte ihrer eigenen Herkunft, daraus ist das neue Album von Melanie De Biasio entstanden. Denn die Belgierin mit italienischen Wurzeln nahm in Italien viele kleine Skizzen und Momente auf und schuf mit „Il Viaggio“ ein Ambient-Album auf zwei CDs und in zwei Teilen, das wie ein melancholischer, minimalistischer Filmscore klingt. Eine sinnliche, ganz eigenwillige Musikreise, stellenweise getragen von der sanften Stimme De Biasios, dann aber auch wieder von den Sounds und gesampelten Klängen.
LELÉKA & MAKSYM BEREZHNIUK: „Rizdvo“ (GLM)
Weihnachtliches aus der Ukraine, dafür haben sich Viktoria Leléka und ihre gleichnamige Band Leléka Verstärkung von dem ukrainischen Flötisten Maksym Berezhniuk geholt, der hier auf insgesamt elf unterschiedlichen traditionellen Holzblasinstrumenten zu hören ist. Das Songmaterial auf „Rizdvo“ ist tief in der ukrainischen Kultur verankert und reicht teilweise bis in vorchristliche Zeiten zurück. Und Leléka und ihr Gast machen daraus zart-jazzige, folkloristisch tönende Weihnachtslieder.
BRANKO ARNSEK SEXTETT: „Move Closer!“ (59music)
THE CUBAN ORQUESTRA: „Renacimiento“ (59music)
Vom Balkan bis hin nach Kuba reicht die Palette der Musik von Branko Arnsek. Der Jazzbassist slowenischer Abstammung kleidet mit seinem um die kubanische Sängerin Johana Jo Jones erweitertes, vorzügliches Sextett diese Einflüsse in ein modernes, zeitgenössisches Jazzgewand in den neun Kompositionen seines Debütalbums „Move Closer!“. Musik ohne Klischees, dafür mit viel frischem Wind.
Klassischer geht es beim Cuban Orquestra zu, das hier eine Reise durch das vorrevolutionäre Kuba serviert. Dieses authentische kubanische Salonorchester weiß die alten kubanischen Klassiker vorzüglich zu interpretieren.
VIRTA: „Horros“ (Svart Records)
Die finnische Band VIRTA überzeugt mit ihrem ganz eigenen elektroakustischen Sound. Aus dunkel klingendem Jazz, Post-Rock und Ambient Electronica bastelt das Trio auf seinem dritten Album „Horros“ Antti Hevosmaa, Heikki Selamo und Erik Fräki interessante ätherische Klanglandschaften, die so viele kleine unterschiedliche Dinge zum Vorschein kommen lassen. Schwer genau zu beschreiben. Man muss diese Band einfach hören.
EL TRIO: „Live In Italy“ (Challenge Records)
Hinter El Trio stecken US-Keyboarder John Beasley und die beiden Kubaner José Gola (E-Bass) und Horacio „El Negro“ Hernandéz (Schlagwerk). Ein Traum-Trio, sind doch alle drei Virtuosen und echte musikalische Persönlichkeiten. Und das zeigen sie hier auf diesem Album, das bei Live-Konzerten in Italien aufgenommen wurde. Applaus hört man hier keinen, der wurde weggeschnitten. So liegt der volle Fokus auf der Musik. Auf die fetten Synthie-Flächen von Beasley, über die der sechssaitige E-Bass summt und singt und dann auch tierisch groovt, während das Schlagzeug das ganze Geschehen polyrhythmisch nach vorne trommelt. Auch wenn Fusionjazz eigentlich ein alter Hut ist, diese Latin-Fusion reißt mit.
HENRIQUE GOMIDE: „Portais“ (Challenge Records)
Feinstes Solopiano vom in Köln lebenden, brasilianischen Pianisten Henrique Gomide bietet sein Album „Portais“. Darauf zu hören sind Stücke von berühmten Landsleuten wie Egberto Gismonti, Baden Powell, Edu Lobo & Chico Buarque, aber auch eigene Songs und kurze Miniaturen. Sensibel drückt Gomide in die schwarz-weißen Klaviertasten, ausdrucksstark sind seine Interpretationen, die er auch noch fantasievoll auszuschmücken versteht. Eine elegante, beseelte Aufnahme zum Genießen!
SOFIANE PAMART: „Noche“ (Demain/PIAS)
Noch einmal Solopiano. Der französische Pianist und Komponist Sofiane Pamart verwöhnt auf seinem dritten Soloalbum „Noche“ mit schönen Melodien, die den Tiefen der Nacht gewidmet sind. Düster klingen die 15 Songs aber nicht, manches Mal aber schon auf eine sehr schöne Weise melancholisch. Poetisch und romantisch ist Pamarts Klavierspiel, emotional und immer eingängig sein Sound, der sich als Soundtrack für viele Filme eignen würde. Das alles steht im Kontrast zum Albumcover wo der Franzose wie einer Rapper seinen goldenen Zahnschmuck der Kamera präsentiert.
SHAULI EINAV QUARTET: „Living Organs“ (Outside In Music)
Nachdem der mittlerweile in Luxemburg lebende Saxofonist und Komponist Shauli Einav bislang eher akustisch unterwegs war, wendet er sich mit seinem neuen Album „Living Organs“ mehr elektrischen und grooveorientierten Klängen zu. Im organischen Zusammenspiel mit Keyboarder und Organist Laurent Coulondre, Gitarrist und Bassist Eran Har Even und Schlagzeuger Paul Wiltgen kreiert der gebürtige Israeli in seinen neun Eigenkompositionen frische, zeitlos moderne Jazzmusik, die die Liebe des Bandleaders zur Rockmusik nicht verbergt.