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Neues aus der CD-Welt

Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol 44

Gelsenkirchen, 30.11.2023
TEXT: Christoph Giese | 

ARBRE: „Mes Épaules Seront Rivières“ (Neuklang)

Ein Trio mit elektronischen Zutaten, das sind ARBRE aus der Schweiz. Tastenfrau Mélusine Chappuis, Flügelhornist und Sänger Paul Butscher sowie Schlagwerker Xavier Almeida zeigen auch mit ihrem zweiten Album wieder ihre ganze Kreativität, mit Synthesizer, Keyboards, aber auch akustischem Instrumentarium, einen atmosphärischen Electro-Jazz kreieren, der seine Power auch aus der Alternative Music zieht. 

ED MOTTA: „Behind The Tea Chronicles“ (MPS Records)

Soundtracks für imaginäre Filme und Fernsehserien zu schreiben, das war die Idee hinter dem neuen Album des brasilianischen Sängers, Musikers und Songschreibers Ed Motta. Dabei ist der „Koloss aus Rio“ seiner Vorliebe für leichtfüßige Soulmusik, die er mit seiner sanften Stimme so großartig gesanglich zu veredeln weiß, treu geblieben. Mit einem ganzen Schwung erstklassiger Musiker wurden die elf selbstgeschriebenen Songs eingespielt und verwöhnen durchweg mit ihrer Mischung aus süffigem Soul, Jazz und sanftem Funk.  

SOPHIE TASSIGNON: „Khyal“ (W.E.R.F. Records)

Eine deutsche Jazzsängerin mit belgischen Wurzeln, die ein Album aufnimmt, auf dem sie auf Arabisch singt, das ist die Geschichte von Sophie Tassignon und „Khyal“. Als die Sängerin 2015 in einem Auffanglager in Berlin mithalf sich um syrische Flüchtlinge zu kümmern beschloss sie Arabisch zu lernen um die Geschichten der Menschen besser zu verstehen und um Brücken bauen zu können. „Khyal“ jedenfalls verbindet die Kulturen, schlägt Brücken. Poetische, arabische Texte, von Tassignon selbst getextet, treffen auf europäisch und US-amerikanisch gefärbten Jazz und ergeben eine gefühlvolle Mischung, die Herzen unweigerlich erwärmt.

ITAMAR BOROCHOV: „Arba“ (Greenleaf Music/Redeye Worldwide)

Wunderbar beseelt ist das Trompetenspiel von Itamar Borochov, selbst dann noch, wenn es ein wenig forscher zur Sache geht. Aber gefühlvolle Musik ist das Ding des in New York lebenden, israelischen Musikers und Komponisten. Die Musik des Nahen Ostens und Nordafrikas klingen in seinen Jazzphrasierungen immer durch, mit seiner Viertelton-Trompete mit vier Ventilen schafft er seinen ganz speziellen Sound. Hymnische Melodien, ein untrügliches Gespür für Stimmungen, spirituelle, intensive Momente und ein Bandleader, der neben seinem fantastischen Trompetenspiel auch noch eindringlich singt – „Arba“ ist großes Hörkino.

DOCK IN ABSOLUTE: [Re]flekt” (CamJazz)                                                         

 Es gibt ja so viele Klaviertrios. Und Dock in Absolute ist ebenfalls eines in der Besetzung Klavier-Bass-Schlagzeug. Die Schwierigkeit dieser Kombination: seinen eigenen Sound finden, irgendwie anders klingen als die vielen anderen Kollegen mit der gleichen Instrumentierung. Trifft das auf das Luxemburger Trio zu? Nun, das Rad des Klaviertrio-Jazz erfinden Tastenmann Jean-Philippe Koch, E-Bassist Arne Wiegand und Schlagwerker Victor Kraus sicher nicht neu, auch nicht auf dem neuen Album. Aber die drei wissen wie man Songs schreibt und spielt, so dass sie sich gleich in den Gehörgang einnisten mit ihren melodischen Soundarrangements. Dazu die flirrende Fingerfertigkeit des Pianisten, der wohlig brummende, nie aufdringliche Bass, die rhythmischen Raffinessen vom Schlagzeug, eine Affinität zu Popmusik, aber auch Einflüsse aus der Klassik – daraus entstehen bei Dock in Absolute elf Songperlen, die schon frisch klingen und die man sich deshalb auch ziemlich gerne anhört.

MOONMOT: „350 Million Herring“ (enja)                                                       MoonMot sind ein britisch-schweizerisches Sextett, das sich 2017 bei der Jazzwerkstatt Bern kennengelernt und erstmals zusammengespielt hat. Die vier Briten Dee Byrne (Altsaxofon, Effekte), Cath Roberts (Baritonsaxofon), Seth Bennett (Bass) und Johnny Hunter (Schlagzeug) trafen auf die beiden Berner Musiker Simon Petermann (Posaune, Effekte) und Oli Kuster (Fender Rhodes, Effekte) und stellten fest dass man als Band ohne echten Leader sehr gut funktioniert. Was man auch auf ihrem zweiten Album hört, dessen Titel eine Anspielung ist auf die 350 Millionen Pfund, die Boris Johnson während des Brexit- Wahlkampfs der britischen Wählerschaft versprochen hatte. Jeder des Sextetts hat ein Stück für „350 Million Herring“ geschrieben. Es sind Stücke mit punkiger Attitüde und krummen Metren, immer gibt es viel improvisatorischen Freiraum, der kreativ genutzt wird, jedes Bandmitglied bringt eigene Ideen in die Musik ein. Und dadurch gibt es in jeder Nummer etwas anderes zu entdecken.

ETHAN PHILION QUARTET: „Gnosis“ (Sunnyside)                                                 War sein Debütalbum in zehnköpfiger Besetzung noch ganz dem Bass-Großmeister Charles Mingus gewidmet, hat Bassist Ethan Philion nun für den Nachfolger „Gnosis“ eine Quartettbesetzung gewählt. Und mit „What Love“ nur noch eine Mingus-Komposition im Programm. Die anderen fünf Titel stammen vom Chicagoer Bassmann selbst. Und zeigen eindrucksvoll seine Fähigkeiten als Komponist wie auch als Instrumentalist. Drummer Dana Hall und Trompeter Ross Johnson waren schon Teil des Tentetts, Altsaxofonist Greg Ward ist hier neu dabei. So musiziert hier ein tighter Vierer voller Ideen, in einem frei swingenden Kontext zwischen komponierten Strukturen und freien Feldern. Der stets sehr präsente, aber nie zu dominante Kontrabass des Bandleaders klingt dabei ungemein agil und vibrierend. In zwei Nummern greift Philion zudem zum Bogen. In einem vogelwilden Improvisationsgewitter und im abschließenden Titelstück der CD, das choral- und hymnenartig startet, dann aber lebhaft swingend weiterläuft und alle vier Musiker noch einmal zu rasanter Form auflaufen lässt.

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