Neues aus der CD-Welt
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 77
TEXT: Christoph Giese |
TRIO IVOIRE: „Resurrection“ (Intuition)
Zurück zu den Wurzeln heißt es beim Trio Ivoire pünktlich zum 25-jährigen Bandjubiläum. Denn als Trio hatte Pianist Hans Lüdemann dieses Projekt begonnen, nachdem er 1999 auf seiner Solo-Tournee des Goethe-Instituts durch Westafrika in Abidjan an der Elfenbeinküste auf den Balafonspieler Aly Keita traf. Beide Musiker spürten gleich eine innige Verbindung zueinander, obwohl sie sich mit Worten damals überhaupt nicht unterhalten konnten, da sie keine gemeinsame Sprache sprachen. Alles längst vorbei, die verbale Kommunikation klappt inzwischen längst. Die musikalische sowieso. Nach einigen Produktionen in größerer Besetzung ist „Resurrection“ wieder ein Trioalbum von Hans Lüdemann, Aly Keita und dem nun auch schon über einem Jahrzehnt in der Band trommelnden Christian Thomé geworden. Mit frischen Songs, die die Einzigartigkeit dieses Trios einmal mehr unterstreichen. Denn der Mix aus europäischem Jazz, westafrikanischen Klangfarben und Improvisation vom Trio Ivoire klingt noch immer belebend und virtuos im telepathischen Zusammenspiel dieser drei weltoffenen Musiker.
JAN BANG & ARVE HENRIKSEN: „After The Wildfire“ (Punkt Editions)
Als Auftragskomposition für das Skopje Jazz Festival in Nordmazedonien entstanden, wo Sample-Künstler Jan Bang, Trompeter Arve Henriksen, Gitarrist Eivind Aarset und Perkussionist Ingar Zach auf das FAMES Institute Orchestra und die Macedonian Voices trafen, ist „After The Wildfire“ ein weiteres Beispiel der großen Klangkunst von Bang und Henriksen, bei der die Grenzen zwischen Sounds, Elektronik, Performance oder Remix so herrlich, weil unmerklichverwischen. Die norwegischen Klangkünstler schaffen hier wunderschön atmosphärische, teils sehr berührende, oft minimalistische Soundlandschaften, die durch die digitalen Bearbeitungen ihren ganz eigenen, unverwechselbaren Charakter bekommen. Das einzige Manko dieser Prodiktion: Dass der musikalische Zauber dieser achtteiligen Suite schon nach nur gut 30 Minuten vorbei ist.
THE HARPER TRIO: „Dialogue Of Thoughts“ (Little Yellow Man Records)
Harfe, Saxofon und Schlagzeug – nicht gerade eine übliche Triobesetzung im Jazz. Aber die Harfenistin Maria-Christina Harper setzt auch auf ihrem zweiten Album auf genau diese Instrumente. Mit der Saxofonistin Josephine Davies und Schlagzeuger Evan Jenkins hat die Griechin mit ägyptischen Wurzeln die idealen Partner für ihre Klangvorstellungen gefunden. Spannende Dialoge, gemeinsam konstruierte Klangbilder, unterschiedlichste Stimmungen von lyrischer Tiefe über sanft schwingende Tracks bis hin zu funkensprühenden, rasanten Nummern – dieser musikalische Dialog von Gedanken bietet viele bunte Farben.
CHRISTOPH SPENDEL: „Piano Graffiti“ (Blue Flame)
Vor ein paar Wochen ist das nun wohl letzte Album von Christoph Spendel erschienen. Im Infotext zu der Soloplatte des Pianisten sind am Ende noch Live-Daten des Künstlers aufgeführt. Die noch offenen können nun leider nicht mehr stattfinden, denn Anfang November ist der Musiker während eines Konzertabends an einem Herzinfarkt verstorben. So hört man „Piano Graffiti“ einerseits mit ein wenig Bedrückung, vor allem in den Balladen. Auf der anderen Seite ist es aber auch sehr schön diesen feinfühligen tastendrücker jetzt noch einmal solo hören zu können, in einem Programm aus Jazzstandards und Eigenkompositionen.
FAY CLAASSEN: „Soulprint“ (Fay Claassen/Mars Label Group)
Zum ersten Mal bringt Sängerin Fay Claassen ein Album heraus mit überwiegend eigenen Kompositionen, mit Stücken, an denen sie fleißig mitgeschrieben hat. Und mit „Soulprint“ hat sie einen durchaus sehr treffenden Titel für die zehn Songs dieses Albums gefunden, ist die Musik soulig und seelenvoll. So kommen die großen gesanglichen Qualitäten der stimmstarken Künstlerin aus den Niederlanden so richtig zur Geltung. Etwa bei der lässigen, souljazzigen Nummer „Good Times“. Die stammt mal nicht aus Fay Claassens Feder, dafür aus der von Ehemann Paul Heller , dem deutschen Saxofonisten. Fay Claassen swingt elegant, streichelt die Seele mit ihrer samtenen Stimme, kann wunderbar modulieren, aber auch kraftvoll tönen. Zusammen mit ihrem wunderbaren Quartett um Tastenmann Karel Boehlee und Gitarrist Peter Tiehuis ist der Sängerin hier ein zeitlos schönes, vielfältiges Jazzalbum gelungen.
RAHSAAN ROLAND KIRK: „Vibrations In The Village – Live At The Village Gate“
RAHSAAN ROLAND KIRK: „Seek & Listen – Live At The Penthouse“
(beide Resonance Records)
Berühmt war er vor allem durch sein simultanes Spiel auf bis zu drei Hörnern. Der im Alter von zwei Jahren erblindete und mit nur 42 Jahren 1977 schon verstorbene US-Saxofonist und Flötist Rahsaan Roland Kirk spielte mit vielen Jazzgrößen und präsentiert sich hier auf zwei Liveaufnahmen auf insgesamt drei Silberscheiben aus den 1960er Jahren als der Wahsninnskünstler und –solist zwischen Bop und Free, zwischen Ausbruch, Sooritten und bester Unterhaltung, der er zeitlebens war, immer angetrieben von den jeweiligen Bands dieser Konzerte. Klangtechnisch ist nicht alles auf der Höhe der heutiegn Zeit, aber diese historischen Aufnahmen sind eben auch schon viele Jahrzehnte alt. Und lohnen auf jeden Fall um noch einmal in das Schaffen dieses ikonischen Musikers einzutauchen.
DUBOULE / TAVELLI / OESTER (D / T / O): „Isobar“ (Unit Records)
Rockig, groovig, fetzig – das Schweizer Trio D / T / O von Gitarrist Théo Duboule, Drummer Noé Tavelli und Kontrabassist Bänz Oester legt gleich mal ordentlich los auf ihrem Album „Isobar“. Und schon hier hört man worauf es den drei Herren ankommt, die hier ab und zu Verstärkung bekommen vom Flügelhorn von Matthieu Michel. D / T / O setzen auf kraftvolle Statements und einen rohen Sound, durchzogen von kühnen Improvisationen. Dennoch gibt es hier auch melodisch-erzählerische Stränge und sogar zart balladeske Momente zu hören. Dass die Schweizer Jazz und Rock lieben, hört man in jeder Minute. Und mit einer eigenwillig, ziemlich ungewöhnlich interpretierten Version von Sonny Rollins´ „Valse Hot“ klingt dieses Album auch noch sehr interessant aus.
DANIEL KAHN, JAKE SHULMAN-MENT & CHRISTIAN DAWID:
„Umru (Unrest)“ (Oriente Musik)
Dieses Album ist der letzte Teil einer Trologie die der in Detroit geborene und nun in Hamburg lebende Songschreiber, Musiker und Sänger Daniel Kahn nun herausbringt, Nach einem Soloalbum im Jahre 2021 und einem Duowerk zwei Jahre später ist auf „Umru (Unrest)“ nun ein Trio zu hören. Neben Kahn, der hier alle möglichen Instrumente von Waldzither bis Akkoredoen, Klavier oder Pumporgel spielt, ist mit dem New Yorker Geiger Jake Shulman-Ment sein Duopartner vom letzten Album wieder mit dabei. Der deutsche Klarinettist Christian Dawid passt wunderbar zu dieser Musk und den anderen beiden Musikern. Eigene Stücke oder eine tänzerische Kreisler-Adaption, Klezmer, jiddische Klänge aus vielen Ecken Osteuropas, Lagerfeuerklänge, viel Wehmut und Poesie – dieses Trio berührt die Herzen beim Zuhören.
LOTHAR KOSSE: „Shekinah“ (Praize Republic Records)
Auf dem Produktinfo steht als Genre: Jazz, Fusion, Christian Jazz. Und erkundigt man sich auf Wikipedia über den deutschen Gitarristen Lothar Kosse, erfährt man dass er vor allem in christlichen Kreisen einen hohen Bekanntheitsgrad habe. Nur konsequent dass Kosse sein aktuelles Album ins Deutsche übersetzt mit „Herrlichkeit“ betitelt hat. Und man hört auch durchaus einen christlichen Touch heraus in dem einen oder anderen Moment dieser Platte. In erster Linie aber bietet das mit zwei Schwergewichten des Jazz und einigen gelegentlichen Gästen eingespielte Werk feinen, gitarrenlastigen Fusion-Jazz. Die beiden US-Amerikaner Vinnie Colaiuta (Schlagzeug) und Abraham Laboriel Sr. (Bass) liefern alles was Kosse für seine Komposition benötigt und haben wollte: Präzision, Groove, Leidenschaft, Virtuosität, aber auch Gelassenheit und Eleganz. Hallelujah.









