Neues Album von Deep Schrott
Originelle Klangschaft im Tiefton-Bereich
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker |
Ungewöhnlich, dieses neue Album von DEEP SCHROTT, laut Selbstverständnis dem „einzigen Bass-Saxophon-Quartett des Universums“. Ungewöhnlich ist in der Tat die Besetzung dieses Quartetts mit Dirk Raulf, Andreas Kaling , Jan Klare und Wollie Kaiser ausschließlich an Bass-Saxophonen, ungewöhnlich ist The Dark Side of Deep Schrott, Vol. 3 – Drones & Spirals auch im Hinblick auf das bisherige Repertoire der vier Saxophonisten: Während die dunkle Seite des Quartetts sich in den beiden vorangegangenen Veröffentlichungen etwa mit Bezug auf Black Sabbath, Nirvana (Vol. 1) oder auch Hanns Eisler und Franz Schubert (Vol. 2) zeigte und die Vier wunderbar arrangierte monoinstrumentelle Blasmusik aus den Vorlagen zauberten, markiert Vol. 3 der „Dark Side Trilogie“ demgegenüber ein musikalisches Neuland. Die neun Titel der Doppel-CD – bis auf einen aus der Feder von Dirk Raulf und Andreas Kaling - verstören beim ersten Hören geradezu ob ihres tiefgelegten Gesamtsounds, eines Klanggewebes, bestehend aus Dauertönen, repetitiven Mustern, feinsten mikrotonalen Verschiebungen und Tonschichtungen. Kollektive Zirkularatmung ermöglicht zum Teil einen flächenhaften Tief-Sound. Ein Dauerton auf zunächst drei Tonhöhen wird im ersten Teil des über 14-minütigen (!) Black Lore subtil moduliert, mit obertonreichen Zusätzen und kurzen exklamatorischen Ausbrüchen versehen. Lunar besteht aus einem fast acht Minuten langen wiederholenden Dauerton, die einzige Variation bietet in dem nahezu tempolos erscheinenden Stück der seltene Wechsel der Tonhöhe, erzeugt wird so ein dunkles Pulsieren, eine Art kosmischer Schwebezustand. Ähnlich beschwört auch Mare eine eigentümliche Klangschaft, die dem Phänomen der Meerestiefe klanglich entspricht. Im kosmischen Bereich verbleibt auch Saturn von Jan Klare - eine Bearbeitung aus der Orchestersuite Die Planeten von Gustav Holst,eine ruhig schwebende Kammermusik mit einer Entwicklung zum Feierlichen und einem kraftvoll-furiosen Schluss.
Ein Hang zum Tief-Dunklen spiegelt das Album auch in ganz anderer Weise, es enthält vier (!) Tribute-Kompositionen von Dirk Raulf: Revillusions (for Scott), Scott Walker (1943 – 2019) gewidmet, Epitaph for Stanko dem polnischen Trompeter Tomasz Stanko (1942 – 2018), das über 16-minütige The Long Goodbye dem Weggefährten, Produzenten und Freund Tim Buktu (1958 – 2011) und Requiem for Johann Johannsson (1969 – 2018) dem isländischen Komponisten und Elektroniker. Melancholische Trauermärsche im langsamen Schritttempo mit lang anhaltenden Grundtönen und ostinaten Mustern, mit getragenen melodischen Ansätzen, wenigen wild-trotzigen Ausbrüchen – allesamt tieftraurig-schöne Epitaphe und pathosfreie Tribute.
The Dark Side of Deep Schrott, Vol. 3 – Drones & Spirals ist eine ungewöhnliche Neuerscheinung, ihr großer ästhetischer Reiz besteht darin, mit minimalistischen Mitteln, mit tieftönenden Ton-Clustern, Dauertönen und raffinierten Modulationen, mit nur kaum merklicher rhythmischer Akzentuierung, mit reinem kollektiven Tönen eine Klangschaft zu generieren, die sich einer Zuordnung zu bekannten Schubladen entzieht. Zwar ist eine gewisse Nähe etwa zu Dark Ambient, zu Drone Doom erkennbar, den vier Musikern von Deep Schrott gelingt in der Tat etwas Un-Gewöhnliches, sie kreieren eine radikal originelle Klangschaft im Tiefton-Bereich, die intensives Zuhören erfordert.
Die Release-Konzerte finden am 6. Und 7. Dezember 2019 um 20 Uhr im Kölner Kunsthaus Rhenania anlässlich des Poise Festivals statt, anschließend, im Januar und März, folgt die Tournee durch NRW. (Daten unter www.deepschrott.de)
The Dark Side of Deep Schrott Vol. 3 – Drones & Spirals (poise 30)