Neuen Jazz entdecken mit Christoph Giese
Schnelldurchlauf Volume 12
Am laufenden Band ereichen uns neue Tonträger aus der weiten Jazzwelt unserer Gegenwart. Unser fleißiger Autor Christoph Giese sorgt dafür, dass uns keine Neuentdeckung entgeht.
Lars Duppler: Unbound (Tangible Music)
Gerade erst begeisterte er noch im Dorstener LEO bei seinem Gastspiel in der FineArtJazz-Konzertreihe, da erscheint nun das Album, das er im LEO bereits vorstellte: https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2022/Lars_Duppler_Trio_review/
Zusammen mit Saxofonist Denis Gäbel und Schlagzeuger Jens Düppe hat Tastenmann Lars Duppler, der hier ausschließlich ein altes Fender Rhodes und einen Moog Prodigy-Synthesizer bedient, ein neues Trio gegründet, das mit Unbound ein frisches Album eingespielt hat, das atmosphärisch und virtuos zugleich ist, das schön groovt, hip und aktuell klingt. Durch die Musik, die sich in offen gehaltenen Soundräumen schön frei entfalten kann.
Yakir Arbib: Three Colors (Jazzline)
Auch der israelische Pianist Yakir Arbib setzt hir auf ein Trioformat. Zusammen mit dem Bassisten Chris Jennings und dem Schlagzeuger Roberto Giaquinto gibt es neben zwei Fremdkompositionen ausschließlich Stücke des Pianisten zu hören, die so manches Mal seine Herkunft nicht verleugnen. Auch wenn sie sich im Jazzidiom bewegen, mit ausgefeilter Rhythmik und federleichtem Spiel beeindrucken. Herrlich auch welch verschachtelten Beat das Trio dem alten Standard „You Go To My Head“ gleich zu Beginn des Albums unterrührt. Diese Einspielung mit Three Colors zu betiteln ist eine glatte Untertreibung.
Fabian Dudek: Isolated Flowers (Traumton)
Die renommierte FAZ nennt ihn einen „echten Überflieger des zeitgenössischen Jazz“. Und das ist der 1995 geborene Saxofobist und Komponist Fabian Dudek sicher auch. Und ein explosiver Musiker ist er obendrein. Gleich im Auftaktstück seiner neuen Quartett-CD bläst er sich die Seele aus dem Leib, lässt sein Altsax hochemotional quietschen und kreischen. Und mit hoher Intensität geht es auf Isolated Flowers auch weiter. Mit seinen drei Bandmitgliedern musiziert Dudek auf Augenhöhe. Hier ist ein gleichberechtigter Vierer am Werk, der viele Freiräume auslotet, sich ekstatisch hochschwingt zu wilden Statements. Manchmal ist die geballte Energie des Bandleaders ein wenig anstrengend. Aber spannend ist dieses Quartett.
Max Frankl: 72 Orchard Street (nWog)
Ein feines Album hat der in Zürich lebende Max Frankl mit 72 Orchard Street aufgenommen. Was auch daran liegt dass der deutsche Gitarrist mit Posaunist Nils Wogram oder Saxofonist Reto Suhner Stimmen in seinem Quintett hat, die all die unterschiedlichen Stimmungen dieser Platte ebenso farbenreich wiedergeben können wie der Bandleader. Und vor allem musiziert hier ein echtes Kollektiv miteinander, das sich bei den Aufnahmen gemeinsam in einem Raum befand und nicht in einzelnen Aufnahmekabinen. Das hört man der Direktheit und Verbundenheit der Musik an, die in vielen Schattierungen mit modernem Jazz verwöhnt.
Danilo Pérez feat. The Global Messengers: Crisálida (Mack Avenue)
Das neueste Werk des panamesischen Pianisten Danilo Pérez ist in interdisziplinäres Projekt, bestehend aus zwei je vierteiligen Suiten. Zusammen mit einer multikulturellen Band und einer vor allem für den Jazz ungewöhnlichen Instrumentierung, den Global Messengers, sowie Gastmusikern, darunter auch Perez´ Ehefrau, ist inspiriert von Werken der panamesischen Malerin Olga Sinclair oder eines panamesischen Fotografen ein Projekt entstanden, das den Hörer animieren soll sich eine Welt mit eigenen Schaffensmöglichkeiten vorzustellen.
Maridalen: Bortenfor (Jazzland)
Das norwegische Trio Maridalen verwöhnt auf Bortenfor mit melancholischen, melodiösen, hymnischen und mitunter tanzbaren, luftigen Stücken Musik. Trompeter Jonas Kilmork Vemøy, Saxofonist Anders Hefre und Kontrabassist Andreas Rødland Haga spielen mit wahnsinnig viel Gefühl, so dass man schnell berührt wird von dieser Musik. Ein Klavier und eine Pedal Steel-Gitarre sorgen dann und wann für zusätzliche Klänge, aber auch n ur mit Trompete, Saxofon und Bass kreiert dieses Trio viele atmosphärische nordisch klingenden Momente.
Marjan Vahdat: Our Garden Is Alone (Kirkelig Kulturverksted)
Was für eine Stimme, was für Emotionen, was für zauberhafte Musik. Das vom Norweger Bugge Weseltoft produzierte und arrangierte neue, dritte Soloalbum der iranischen Sängerin Marjan Vahdat steckt voller Sehnsüchte, ob nach dem Liebsten oder dem Land Iran. Obwohl die Sängerin einen Großteil der Melodien und Texte selbst beigesteuert hat, beziehen sich die melodischen und lyrischen Elemente dieser Produktion auf traditionelle Wurzeln des Iran, auf Werke von zeitgenössischen iranischen Dichtern. Diese gesungene Poesie, im Verbund mit der berührenden Musik, wird durchweg zu einem sehr gefühlsintensiven Erlebnis.
Various Artists: Black Lives – From Generation To Generation (Jammin´colorS)
Ein Sampler als Statement gegen Rassismus und Unterdrückung, genau das ist Black Lives – From Generation To Generation. Der Impuls für dieses Projekt kam von der belgischen Produzentin Stefany Calembert, die als weiße Frau mit einem der beteiligten schwarzen Musiker (Bassist Reggie Washington) schon lange verheiratet ist und das Thema Rassismus aus eigener Erfahrung gut kennt. Und so hat sie 25 schwarzen Künstlern aus den USA, diversen afrikanischen Ländern und der Karibik hier einen Raum für ihre Lieder gegen des Rassismus gegeben. Herausgekommen sind 20 Songs schwarzer Musik mit einer großen Bandbreite, vom energiegeladenen Soul einer Stephanie McKay, über Jazz mit Rap der Brüder David und Marque Gilmour feat. Shariff Simmons, einer Hymne für ein besseres Morgen des Jazztrompeters Jeremy Pelt bis hin zur Polyrhythmik eines Cheick Tidiane Seck aus Mali.