Neues aus der CD-Welt
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol. 70
TEXT: Christoph Giese |
Bislang 70 Schnelldurchläufe - das sind hochgerechnet seit Beginn dieser regelmäßigen Rezensionsstrecke mittlerweile weit über 500 Alben, denen unser fleißiger Autor Christoph Giese sein kritisches und wertschätzendes Ohr geschenkt hat - vielen lieben Dank für Deine unermüdliche Arbeit, um die Produktivität einer internationalen Jazzszene, die sich nicht unterkriegen lässt, sichtbar zu machen!
GILBERT PAEFFGEN TRIO: „Der Mann auf dem Trampolin“ (Rabbit Hill Records)
Seit einem Vierteljahrhundert existiert dieses Schweizer Trio, „Der Mann auf dem Trampolin“ ist die sechste CD. Der Albumtitel sowie das gleichnamige Titelstück schrieb Gilbert Paeffgen nach dem Besuch euiner Performance einen Trampolin-Artisten. Es ist eine melodiöse, moderne, positive Jazznummer im klassischen Klaviertrio-Format. Denn neben dem Bandleader gehören noch Pianist Fabian M. Mueller und Bassist Claude Meier zum Trio, das an vielen Stellen dann doch ganz eigen klingt, spielt Gilbert Paeffgen anstelle vom Schlagzeug hier nämlich immer wieder auch Hackbrett. Mit hypnotischen Tonkaskaden klingen die mit dem Hackbrett gespielten Stücke folkloristisch und eine Spur intensiver. Eine interessante zweite Färbung von Paeffgens Musik.
CARO TRISCHLER: „When You Know You Know“ (KlangRaum Records)
Für ihr zweites Album ist sie neue Wege gegangen. Hatte Sängerin und Gitarristin Caro Trischler auf ihrem Debütalbum noch ihre Lieblingssongs von berühmten Komponisten eingesungen stammen dieses Mal fast alle Stücke von ihr und ihrem kongenialen Partner im Leben und auf der Bühne, dem Pianisten Ulf Kleiner, der hier auch auf Fender Rhodes, Wurlitzer und Orgel zu hören ist. Geblieben ist eine große Bandbreite auf den zwölf Songs dieses Silberlings, eingespielt mit einem ganzen Schwung an musikalischen Gästen. Süß wie Honig klingt das soulige „Honey“, von Streichern untermalt ein zärtliches, dem Tod iher Mutter gewidmeten „Summer“. Und mit dem auf Portugiesisch gesungenen „Nuvens de Açúcar“ geht es beschwingt an den Zuckerhut. Gefühlvolle Balladen kann Caro Trischler auch. Und lässig singen und schwingen. Jazz ist das nicht immer, aber das ist auch egal. Es ist gute, abwechslungsreiche Musik einer starken Sängerin und Künstlerin.
RONNY GRAUPE´S SZELEST: „Newfoundland Tristesse“ (BMC Records)
Ziemlich unaufgeregt geht es hier zu. Was auch daran liegt dass der deutsche Gitarrist Ronny Graupe auf diesem Album keiner ist der sich irgendwie in den Vordergrund spielen oder mit allerlei technischem Können beeindrucken will. Das Trio Szelest ist die Erweiterung seines Duos mit der Schweizer Sängerin Lucia Cadotsch um den britischen Pianisten Kit Downes. In den von Graupe und Cadotsch geschriebenen Stücken sowie ein paar Jazzstandards lang geht es kammermusikalisch zwischen leicht schräger Attitüde, abstrakter Interpretation und melancholischer, aber nie verzagter Traurigkeit hin und her. Eigenwillig schön das Ganze.
STEPHAN-MAX WIRTH EXPERIENCE: „Max´s Tracks“ (Bos. Records)
Die Band Experience des Saxofonisten Stephan-Max Wirth zählt zu den beständigsten Formationen des Jazz, wie es sogar explizit im Info zur neuen Platte steht. Die beinhaltet einen Live-Mitschnitt von einem Konzert des Quartetts im Berliner Jazzclub Schlot vom November vorletzten Jahres. Diese Live-Energie spürt man, vor allem auch beim Bandleader, der auf Tenor- und Sopransaxofon so manch heiße Linie bläst. Zwischen Jazz-Rock, World-Jazz, swingendem und groovendem Blues, einem mediterranen Liebeslied oder feinfühliger Ballade zeigen Wirth, Gitarrist Jaap Berends, Bassist Bub Boelens und Drummer Florian Hoefnagels, was für eine wunderbar miteinander harmonierende Truppe sie doch sind.
DZ´OB: „The Playground“ (Abyshomzk & Igor Shamrych)
Hinter dem ungewöhnliche Bandnamen DZ´OB steckt das von Cellist und Komponist Oleksii Badin gegründete elektroakustische Ensemble aus der ukrainischen Stadt Dnipro, das auf seinem vierten Album „The Playground“ mit ungewöhnlichen Klangbildern aufwartet. In der Besetzung Cello, Oboe, Bassoon, Geige und Schlagzeug bewegen sich die Ukrainer irgendwo zwischen Klassik, Jazz, Techno und avantgardistischer Tanzmusik. Immer überraschend. farbenreich und eigentlich nie so wie man es schon mal gehört hat und erwartet. Zudem wird hier Kultur zum Statement. Das fängt schon beim beim Albumcover an, einem abfotografierten Wandteppich einer ukrainischen Künstlerin, auf dem ein Junge mit brennendem Papierflugzeug auf einem bombadierten Spielplatz steht.
BOBBY RAUSCH: „Stones & Stars“ (Ninety Days Records)
Bassklarinette, Baritonsaxofon, Schlagzeug, Effektgeräte – daraus kreieren Lutz Streun, Oleg Hollmann und der neue Drummer Nico Stallmann als Bobby Rausch ihre inzwischen sofort zu identifizierende, groovige, die man als Energiebooster einfach hören, aber zu der man sich auch ganz nett bewegen, zumindest lässig hin und her wippen, kann. Mächtig ist ihr Sound zwischen Jazz, Electronica, HipHop-Coolness und coolen, auch mal technoiden Beats, angesiedelt in den dunklen, tiefen Registern, was ihre Mischung so richtig einzigartig macht. Und so wie bei Bobby Rausch am Ende dieses Albums hat man den Depeche Mode-Klassiker „Enjoy The Silence“ auch noch nicht gehört.
UTA HABBIG: „Another Sky“ (Eigenproduktion)
Aus Jazz, Kammerpop und Klassik zaubert die in Köln geborene und nun in New York lebende Sängerin und Songschreiberin Uta Habbig in zehn selbst komponierten Stücken auf „Another Sky“ eine ganze Palette an Stimmungen, von intim bis ausdrucksstark. Habbig, die eine Musikausbildung sowohl in Klassik als auch in Jazz genossen hat, hat eine großartige Gesangsstimme, die sie hier wunderbar einzusetzen versteht auf ihrem zeitlos schönen Album.
HANNAH KÖPF: „Flowermind“ (Fine Music)
Es sei ihr persönlichstes und tiefgründigstes Album, wird Hannah Köpf im Info zu ihrern neuen Platte zitiert. Und ja, „Flowermind“ klingt sehr reflektiert und tiefgründig, spricht wichtige Themen der Jetztzeit an. Und das alles verpackt die Singer-Songwriterin aus Köln in gefühlvolle Klänge zwischen Americana, Country, Blues oder Gospel, ohne dabei ihre eigene Identität zu verlieren. Lyrische Texte, ausgefeilte Arrangements, wame Klänge, melancholische Stimmungen, und dazu die warme, so angenehm zu hörende Gesangsstimme von Hannah Köpf – „Flowermind“ ist zauberhaft. Auch weil die Platte so herrlich leicht beschwingt ausklingt, mit Paul Simons „Diamonds On The Soles Of Her Shoes“.
JULIAN SHORE TRIO: „SubRosa“ (Chill Tone Records)
Gibt es noch Piano-Trios, die einem beim Hören so richtig umhauen, weil sie Musikk spielen, die man so in dieser Besetzung vielleicht noch nie gehört hat? Ja, die gibt es. Das Julian Shore Trio gehört zwar nicht in diese Kategorie, doch das zweite Album des in New York lebenden Pianisten und seinen beiden Partnern Martin Nevin am Bass und Allan Mednard am Schlagzeug ist dennoch eines das man sich sehr gerne anhört. Aus Brian Wilson´s „Don´t Talk (Put Your Head On My Shoulders)“ etwa gestaltet das Trio eine zauberhafte, ergreifende Ballade. Shore hat kurzzeitig bei Wayne Shorter in Berklee studiert. Shorter´s Komposition „Pegasus“ ist eine wunderbare Hommage an den großen, verstorbenen Saxofonisten. Aber auch als Komponist überzeugt dieser Julian Shore auf „SubRosa“, einer Modern Jazz-Platte, die viel Spaß macht.