M.WARD ‘Think of Spring’
Billie Holiday mal ganz anders
TEXT: Heinz Schlinkert |
"I first heard Lady In Satin in a mega-shopping mall... I was about 20 years old and didn't know much about Billie's records or her life or how her voice changed over the years. Anyway,.. some other-world thing floating there on this strange mournful ocean of strings and I was hooked for life.”
So beschreibt der US-Songwriter M. Ward seine erste Begegnung mit Billie Holiday.
Nach dem Album Migration Stories ist nun gerade sein neues Album Think of Spring erschienen, auf dem er Songs von Billie Holidays neu interpretiert. Es geht dabei um fast alle Songs aus Lady In Satin (1958) und um den Song All The Way, der ein Jahr später, kurz vor ihrem Tod, erschienen war
Die CD beginnt mit I Get Along Without You Very Well und das ist kein Zufall. Denn der Text dieses Songs von Hoagy Carmichael (1938) basiert auf dem Gedicht Except Sometimes von Jane Brown Thompson, in dem es heißt:
I get along without you very well
Except, of course, in spring,
But l will never think of spring,
For that would surely break my heart in two.
Daher jedenfalls der Name des Albums. M. Ward (*1973) ist ein Gitarrist und Sänger aus Portland/Oregon. Seine Musik wird dem ‚Alternative Country‘ zugerechnet. Als Solist spielt er Akustikgitarre, man hört, wie er über die Saiten gleitet, er singt langsam und recht leise. Das erinnert manchmal an den ‚Sugar Man‘ Sixto Rodriguez, auch wenn dieser manchmal lebendiger agiert, während M. Ward oft dumpf, fast schon apathisch wirkt.
Ob es nun der Sinatra-Song I’m a Fool to Want You ist oder Violets For Your Furs, But Beautiful, All The Way, For Heaven’s Sake oder You Don’t Know What Love Is - es hört sich alles ähnlich an und eine gewisse sedierende Wirkung ist dabei nicht auszuschließen. M. Ward sagt dazu:
“It still feels good to invent new guitar tunings and use them to help deconstruct old songs, Billie Holiday's “For Heaven’s Sake" in a modified open B."
Was liegt da näher als ‚Think of Spring’ mit ‚Lady In Satin‘ zu vergleichen?
Die Texte sind wohl dieselben, die Art zu singen nicht. Wenn aber durch Akkord-Veränderungen die alten Songs ‚deconstructed‘ werden, können die Interpretationen von M. Ward nur anders klingen. Die Stimme ist Welten entfernt von Billie Holiday, das Bluesfeeling ist total weg. Es klingt insgesamt harmonischer, also kein Weltschmerz, eher resignativ.
Dabei ist Lady in Satin zu einer Zeit entstanden, in der Billy längst nicht mehr auf der Höhe ihres Schaffens war. Mit den Streichern, die sie sich so gewünscht hatte, wurde das Ganze etwas weichgespült. Trotz ihres begrenzten Stimmumfangs blieb sie aber unverwechselbar die talentierte, letztlich tragische Bluessängerin, die genau wusste wovon sie sang.
„Bei Holiday gerät man in einen existentiellen Strudel,... Holidays Stimme allein greift direkt an die Nervenbahnen.“ schrieb Stephan Richter über sie. Das kann ich nun über M. Ward nicht sagen. Doch wenn ein Blues-Fan wie ich über ihn schreibt, was kann da schon anderes bei rauskommen? Think of Spring’ ist jedenfalls kein Remake. Hier ist etwas Neues entstanden, das vielleicht von Jüngeren besser wertgeschätzt werden kann, die dann vielleicht auch die blasse kleine Schrift auf dem Cover lesen können ...
Parallel zu M. Wards CD sollte von Weihnachten an der Film "Billie" in den Kinos laufen, eine CD mit den Soundtracks ist bereits erschienen. Neuer Termin: 10.6.21
M. WARD ‘Think of Spring’
Label: Anti, 2020
Bestellnr. der CD: 10342589