Moritz Götzen Trio feat. Veit Steinmann
Liliths Kirche
TEXT: Stefan Pieper |
Das Moritz Götzen Trio zieht mit seinem neuen Album "Liliths Kirche" hinein in eine hinreißende Klang- und Ausdruckswelt und öffnet damit die Grenzen des Jazz ins Kammermusikalische hinein. Hieran hat der Gastmusiker Veit Steinmann mit seinem Cello einen gewichtigen Anteil. Die Vielfalt der musikalischen Einflüsse ist beeindruckend, sie reicht vom zeitgenössischen, manchmal skandinavisch angehauchten Jazz bis hin zu Blues und Folk.
In fernöstlich-exotischer Pentatonik breiten die Instrumente im Eröffnungsstück ihre obertongesättigten Klangfarben aus. Aber daraus entsteht schließlich ein echtes Folk-Tune, was der Sache von Anfang an Seele einverleibt: Auf Basis eines kanadischen Traditionals namens „The Maggie Hunter“ singen Violine und Cello hingebungsvoll um die Wette. Von da ab überbieten sich diese zehn Stücke mit ihren Kontrasten und Überraschungsmomenten gegenseitig, dass das Staunen darüber noch viel länger als die 57 Minuten Spiellänge dieses Albums währt.Das Stück "Aquarius" wurde bereits vor dem Erscheinen des Albums online veröffentlicht und stachelte die Vorfreude auf das neue Album mächtig an. Die Nummer ist auch hier wohl „das“ Highlight: Selten funktioniert es so auf den Punkt, dass ein dramaturgisch stark verschachteltes Stück zugleich so prägnante Ohrwurm-Qualität entfaltet. Die faszinierend verschlungene Melodie wird zum Sprungbrett für solistische Höhenflüge: Vor allem Julia Brüssel wächst mit satter Tongebung und tiefer Emotion in ihrem Spiel über sich hinaus - was souveräne Augenhöhe mit sämtlichen großen Jazz-Violinisten markiert. Da zeigt sich wieder: Wer sich (wie Julia Brüssel) forschend mit Avantgarde, also mit Grundlagen von Klang und Ausdruck auseinandersetzt, dem gelingt dadurch ein substanziell aufrichtigeres Spiel bei stilistisch gebundenerer Musik. Kontrabassist Moritz Götzen, der in „Aquarius“ schließlich selbst einen beredten, gewichtigen Solo-Monolog auf die Bühne bringt, hält alles solide zusammen. Immer neue kreative Räume öffenen sich. Gitarrist Jonas Hemmersbach umspielt fantasievoll die Streichinstrumente aus allen möglichen Richtungen, wird aber selbst auch gerne zur beredten Solostimme. Cellist Veit Steinmann fügt sich immer genau da ein, wo es nötig ist.
Durchdachte Komposition, kollektive Improvisation
Immer wieder faszinieren die souveränen Rollenwechsel, ebenso das kollektiv improvisierte Miteinander zu viert. Zum Beispiel im Stück „Melrosa“, in dem sich alles zu einer synkopisch pochenden Textur bündelt, aus dem sich schließlich das melodiöse Thema herausschält. Bodenständiger wird es, wenn Julia Brüssel in einer Bluesnummer ihre Violine auch mal zum „Banjo“ mutieren lässt. „Peng!“ heißt eine Nummer, die genauso klingt. Jetzt schwingen sich alle vier in einem rockig treibenden Riff zur gemeinsamen Sache auf. Es gibt noch zahllose weitere, ja echt geniale Momente auf diesem Album. Zwischen den vier Bandmitgliedern aus Essen und Köln herrscht Konsens auf höherer Ebene, wenn sie auf ihren kostbaren Instrumenten so viel kreatives, manchmal verrücktes, aber immer tief empfundenes anstellen. Moritz Götzen hat dafür als durchdacht komponierender Bandleader die Grundlagen geschaffen. Die Aufnahmequalität ist ebenfalls lupenrein, transparent und dynamisch, wie es ein solches Unterfangen braucht.
CD
Moritz Götzen Trio feat. Veit Steinmann
Lliths Kirche
Timezone records 2023
Hier kann die CD direkt beim Label Time Zone Records bestellt werden