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Michel Portal

Radar (Live at Theater Gütersloh)

Marl, 20.08.2016
TEXT: Stefan Pieper | 

Das Theater Gütersloh ist eine hochmoderne Spielstätte, die für Jazz optimale Bedingungen bietet – mittlerweile gehört der im Jahr 2010 fertiggestellte Bau zu den Lieblingslocations des WDR, wenn es ums Aufnehmen hochkarätiger Konzerte geht. In dieser Hinsicht hat die CD-Reihe „European Jazz Legends“ schon einige Sternstunden konserviert. Der jüngste Wurf dieser Edition legt die Messlatte noch einmal weiter nach oben: Michel Portal und Richie Beirach sind Namen, zu denen man kaum noch etwas sagen muss, wenn diese Ausnahme-Künstler aufeinander treffen. Sie taten dies für diese Konzertaufnahme zum ersten Mal- wohlgemerkt! Beim vorliegenden Konzertmitschnitt aus dem Frühjahr 2016 kommt noch die bewährte, in jeder Richtung flexible WDR Bigband hinzu.

Aber die hat über die ersten langen drei Stücke auf dieser Live-CD erst einmal Pause. Über drei lange Stücke, die zusammen die Suite „Esquisse“ bilden, gehört die Bühne allein dem französischen, aus dem Baskenland stammenden Reeds-Spieler und dem heute in Deutschland lebenden US-Pianisten. Man fühlt sich vom ersten Ton an erhoben auf ein erhabenes Plateau von musikalischer Reife. Es herrscht traumwandlerisch ausgeschlafene Kommunikation zwischen zwei Spielern, die sich nichts mehr zu beweisen, aber dafür umso mehr zu sagen zu haben. Geschichten erzählen, Traumsequenzen abbilden und sich angeregten Dialog reiben und messen– darum geht es. Die drei Stücke legen jeweils einen anderen Akzent auf die Grundstimmung oder sagen wir die improvisatorische „Erzählstruktur“. Zunächst geht es betont rezitativisch zur Sache. Wenn Portal dann zum Sopransax wechselt, wird es – was nahe liegt - spürbar ekstatischer, fast manchmal – um diesen heikel-überstrapazierten Terminus zu bemühen– coltranesker. Der letzte Part dieser Trilogie baut umso mehr auf motorischer Sogkraft auf – da werden opulente Ostinato-Figuren des Pianos zum zupackenden Motor für den niemals versiegenden Ideenfluss dieses Duos. Die Symbiose zwischen den beiden ist unerschütterlich. Beirach legt eine kraftvolle Pranke auf dem Flügel an den Tag, wohl wissend, dass Portals Spiel so viel druckvolle Energie und solide Erdung bestens verträgt. Und dies bei aller zerbrechlichen und tief berührenden Intimität und einer nach wie vor bestens verträgt. Beide könnten stundenlang so weitermachen und doch wäre es nie eine Sekunde zu viel.

Im Grunde genommen, sind diese beiden Ausnahmespieler sich selbst genug auf dieser Platte. Aber die Ausweitung des Rahmens beim hier dokumentierten Konzert auf das Bigband-Format kann nur bereichernd wirken: Jetzt zeigt sich der legendäre französische Klarinettist und Saxofonist als ausgeschlafener Teamplayer, wenn sein Spiel andere Solisten befeuert und er so ganz uneitel in einer organischen Band-Chemie aufgeht. Portal kann eben auch ein generöser Teamplayer im großformatigen Klangkörper sein, um – hier gerne auch mit sattem funkigen Biss – die eigene Spielfreude mit vielen zu teilen.

Mit einem weiteren, charmanten Extra wartet dieser Tonträger auf: Ein Interview-Mitschnitt wirft Schlaglichter auf den Menschen hinter dieser Musik. Portal ist ein humorvoller, temperamentvoller Gesprächspartner, der überaus unterhaltsam von seinen Prägungen, Schlüsselerlebnissen, Leidenschaften erzählt. Soviel ist klar: Jazz ist für den Franzosen ein großes tolerantes Sammelbecken für Klänge, Ideen und Lebensgefühl - getreu dem eigenen Credo: „Wenn ich Brahms spiele, heißt dies nicht, dass ich Charlie Parker dabei vergessen würde.“

CD: Michel Portal: Radar – live at Theater Gütersloh

(Double Moon Records)

Reinhören und bestellen unter

https://play.google.com/store/music/album/Michel_Portal_Radar_Live_at_Theater_G%C3%BCtersloh?id=Bbowwx2xnbnjcfnr3fp43zbejcq

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