Michael Wollny Trio mit zwei neuen Alben
Facettenreicher Improvisationszauber
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker |
Gleich zwei neue Alben des vielgelobten Michael Wollny Trios erscheinen in diesen Tagen sozusagen im Doppelpack: Die beiden Alben Oslo und Wartburg verstehen sich als Fortsetzung des großen Trio-Erfolges Nachtfahrten (s. nrwjazz-Rezension) in gleicher Besetzung mit Christian Weber am Kontrabass, Eric Schaefer an den Drums und Michael Wollny am Piano.
Oslo ist ein Studioalbum, entstanden in den legendären Osloer Rainbow Studios. Auf dem Album wird das Trio in drei Stücken erweitert durch das Norwegian Wind Ensemble, das in den aleatorischen Zauber der drei Improvisationskünstler mühelos einsteigt: Das gilt für den Opener Make A Wish und das fast 12-minütige Endstück The Whiteness Of The Whale mit seinem Minimalmaterial von zwölf Tönen und zehn Akkorden und das Longnote aus der Feder von Geir Lysne, das dem Titel entsprechend sich aus einer Bläserdynamik entwickelt. Alle drei Titel sind Produkte einer gelungenen Improvisation, eines quasi blinden Verständnisses auf der Basis einer minimalen Absprache mit maximaler eindringlicher Wirkung.
Oslo besticht insgesamt durch eine große stilistische Bandbreite: ein aufmunterndes funkiges Hello Dave, das balladeske Farbenlehre, das stimmungsvoll-bluesige Roses Are Black von Heinz Sauer, ein energisch zupackendes Perpetuum mobile, ein märchenhaft-verrätselter cantus arcticus, ein flink-flüssiges There Again, dazu arrangierte Versionen von Gabriel Faurés Piano Trio op. 120, Andantino, von Paul Hindemiths Interludium und Claude Debussys Nuits Blanches.
Eine Woche nach der Aufnahme in Oslo begibt sich das Trio auf die Wartburg. Ihr Konzert an Luthers Fluchtort findet ihren Weg auf das Live-Album Wartburg. Bei der zeitlichen Nähe der beiden Aufnahme-Sessions verwundert es nicht, dass Titel wie Perpetuum Mobile und Interludium oder Make A Wish auf beiden Alben erscheinen und einen Vergleich der Live- und der Studio-Aufnahme ermöglichen.
In die Live-Session führt ein sehr dichtes Atavus mit ausgesprochenem Lied-Charakter ein. Big Louise beginnt als pathetisch-ruhiges Stück und steigert sich zu einem intimen Trio-Spiel. Das skizzenhafte Antonym geht in einem für das Trio typischen Schwebezustand über zu einem ebensolchen in Gravité. Ab Track 8 kommt der französische Saxophonist Emile Parisien mit seiner hellen virtuosen Soprano-Stimme dazu. Der Bob Brookmeyer-Titel White Blues wird von den vier Musikern sehr eindringlich interpretiert. Ebenso in den Stücken Tektonik und Engel erweist sich Emile Parisien als wunderbar passende Erweiterung des Trios.
Das Album endet mit Make A Wish, die Live-Version mit den Skizzen von Sopransax und Kontrabass und den ruhigen Akkorden und Läufen des Pianos entwickelt einen anderen Charakter als der gleiche Opener-Titel von Oslo mit dem eher „getragen“ wirkenden Bläserensemble.
Beide Alben demonstrieren ein perfekt eingespieltes Trio, bei dem seine Mitglieder untereinander genauso phantasievoll improvisieren können wie mit den unterschiedlichen Gästen, wundervoll, wie die Musiker dank ihres Musikverständnisses und ihrer Kunst das Unberechenbare der Improvisation zu ausgesprochen schöner und dichter Musik transformieren. In dem bei beiden CDs identischen Booklets verweist Michael Wollny auf den Mail-Verkehr zwischen Siggi Loch, Geir Lysne und ihm als interessante Studie zum Thema „kommunikative strategien zur risikominimierung des unberechenbaren“ – bestimmt eine spannende Lektüre zum Verständnis des künstlerischen Entstehungsprozesses. Das Hören der Musik der beiden Alben ist allerdings auch so ein spannendes Abenteuer.
Das gleiche dürfte für den Auftritt des Trios am 12.5.2018 beim Jazzfest in Bonn gelten.
Michael Wollny Trio live: wartburg. ACT 9862-2
Michael Wollny Trio: oslo. ACT 98623-2