Matthias Schriefl
Geläut
TEXT: Vera Marzinski |
Bei „Geläut“ denkt man sofort an Glocken – genau die hat Matthias Schriefl in sein neustes Werk integriert bzw. er hat die Musik seiner Band „GELÄUT“ mit dem Klang aus den Glockentürmen interagieren lassen.
Hörst du nicht die Glocken? Diese Klangwunder mit jahrtausendealter Tradition sind besonders – das hat auch Matthias Schriefl entdeckt. „Für den majestätischen Klang von Kirchenglocken interessiere ich mich schon, seit ich denken kann“, schreibt er im Inlay der CD-Hülle.
Der Glockenklang lädt ein, innezuhalten, sich zu besinnen, den persönlichen Momenten Zeit zu geben. Ganz persönliche Momente hat auch Matthias Schriefl mit der CD „Geläut“ entstehen lassen. Gemeinsam mit Johannes Bär an Tuba, Posaune und Alphorn, Sängerin Sarah Buechi und Susanne Paul mit Cello gründete er die Band „GELÄUT“. Zusätzlich bei einigen Stücken kamen Mathilde Vendramin, mit Cello und Gesang, sowie Harfenistin Franziska Widmer dazu. Es sind 14 Stücke entstanden. Alle Kompositionen – außer Franz Schuberts „Gott ist mein Hirte“ – sind von Matthias Schriefl. Die Kompositionen dienten als Basis für Konzerte zwischen Frühjahr und Spätsommer 2021 an den jeweiligen Orten mit Band, den Geläuten und lokal ansässigen Musikern als Glöckner*innen. Dazu manipulierte Schriefl die Geläute durch Seilkonstruktionen, die kletternd angebracht wurden. So konnten aus den Türmen Melodien und Rhythmen erschallen und gleichzeitig auf den Kirchplätzen dazu von der Band musiziert werden. Diese CD ist das Dokument einer ganz besonderen Konzert-Tour.
Glocken rufen seit Jahrhunderten zu Gottesdienst und Gebet. Glocken werden mechanisch in eine Pendelbewegung versetzt, bis der Klöppel gegen den Glockenrand stößt. Alternative Schlagvorrichtung seitlich außen. Das manuelle Anschlagen von Kirchenglocken mit Glockenklöppeln bezeichnet man als „beiern“. Dies erfolgt nach überlieferten Rhythmen oder – in dem Fall der CD nach den Noten von Matthias Schriefl. Mit Lautgesang beginnt das erste Stück „Straden aller Kirchen“, für das die Läut-Automatik aller Kirchenglocken der Gemeinde Straden abwechselnd per Fernbedienung ein- und ausgeschaltet wurden. In Straden entstand auch „Straden Hauptpfarrkirche“ – ein Stück, dass diese dortigen fünf Glocken mit all ihren Obertönen und „funky Grooves“ nutzt – sowie die Komposition „Straden Party“. Das mitreißende Stück zeigt ganz besonders die Spielfreude des Ensembles und dazu ertönen abwechselnd die neun Glocken der Gemeinde. Ein Lieblingsstück von Schriefl ist der von Franz Schubert vertonte Psalm 23. Das „Gott ist mein Hirte“ reiht sich perfekt in die Geläut-Kompositionen ein. Eher jazzig als klassisch präsentiert. „Liad fiard Angelika“ ist der Mutter von Bandkollegen Johannes Bär gewidmet, die ihr ganzes Leben mit den vier Andelsbucher Kirchglocken verbracht hat, die natürlich zum bzw. im Stück erklingen.
Natürlich fehlten die Glocken aus „Maria Rain“, der Heimatgemeinde von Schriefl ebenso wenig, wie die aus Köln, wo er heute lebt. Hier spielten sie in Köln-Brück zwei Konzerte in der Johanneskirche und es entstand „Cologne Bridge“. Die weitest entferntesten Kirchenglocken sind die aus „Mérida“ – die Hauptstadt des Bezirks Yucatán in Mexiko. Auch das zweitgrößte Geläut Deutschlands „Konstanz Dachreiter“ durften sie bespielen. Im Allgäuer Dorf „Petersthal“ nahmen sie nicht nur den gleichnamigen Blues auf, sondern auch die Schubert-Komposition und den „Choral“, denn hier gibt es, so Schriefl, „eins der schönsten und bestgestimmten Gläute, die ich kenne“. Nach Österreich ging es zum Stephansdom, wo „Die dicke Pummerin“ hängt und jedes Jahr Neujahr einläutet. An westafrikanische Musik erinnern die Görisrieder Dorfglocken, die in einer leicht verstimmten E-Moll-Pentatinik gestimmt sind und für das Stück „Görisried“ erklangen.
Weshalb nun eine CD mit „Geläut“? Ziel der CD sei es, auf die Klangkultur, Wirkung, Symbolik, Historie und vor allem die Klangschönheit der vielen Kirchenglocken in europäischen Städten hinzuweisen. Genau das gelingt ganz sicher mit diesem außergewöhnlichen Projekt. Und zudem: „Alles, was die Gesellschaft friedlich zusammenhält ist Gold wert, und dazu zählen auch Kirchenglocken“, so Matthias Schriefl.
Das Musikprojekt und damit die CD wurde gefördert von Musikfonds, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt Köln sowie der Kunststiftung NRW.
Matthias Schriefl ist Jazzkomponist, Bandleader und Multiinstrumentalist - er zeigt immer wieder aufs Neue seine Experementierfreudigkeit und überrascht mit neuen Projekten - wie dieser CD "Geläut".
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Produziert von Johannes Wallbrecher © 2022 resonando