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Mary Homburger, Barry Guy, Lucas Niggli

Acanthis

Zürich, 30.12.2022
TEXT: Stefan Pieper | 

Maya Homburger, Violine und der Kontrabassist Barry Guy haben für ihre neue CD Acanthis den Schlagwerker Lucas Niggli ins Boot geholt – und der geht als aktiv zuhörender Kammermusikpartner in dieser Konstellation auf.

Acanthis ist ein Werk voller Anspruch auch an die Aufnahmebereitschaft des Hörers - und genau wie das Eintauchen in die komplexe Materie viel Versenkung einfordert, hatten sich Barry Guy, Maja Hombuger und Lucas Niggli auf der griechischen Insel Hydra in Klausur begeben, um das Album im „Old Carpet Factory Studio“ aufzunehmen. Erschienen ist übrigens auf Maya Homburgers eigenem Label mayarecordings.

Acanthis wurde von vielen Quellen auch aus der bildenden Kunst inspiriert, pflegt die kammermusikalische Zeitreise und überwindet Grenzen zwischen komponiertem Material und freier Improvisation: Fragil meditiert Maya Homburgers Violinspiel über einem Hymnus aus dem 9 Jahrhundert. Viele Eigenkompositionen vor allem von Barry Guy wirken wie auf einer höheren Meta-Ebene mit den improvisatorisch aufbereiteten Deutungen der oft aphoristischen Komposition von Györi Kurtág verbunden. Überhaupt ist Kurtág der thematische rote Faden hier, nicht nur weil diese Musiker auch selbst mit Kurtag in Kontakt stehen. Der ungarische Neutöner dachte jene Ästhetiken weiter, in denen zum Beispiel die Zweite Wiener Schule durch Anton Webern die Musik erneuerte. Es geht hier vor allem darum, auf engstem Raum und oft in Mikrostrukturen die klangliche Aussage zu komprimieren.

Ein lebendiger Schwebezustand zwischen freier Improvisation, Neuer und Alter Musik

So etwas nährt hier die hochkonzentrierte Spiellust von Barry Guy, Maya Homburger und Lucas Niggli, deren Instrumente und deren mannigfaltige Möglichkeiten in einen Diskurs geraten voller Spannung und Überaschung, aber auch mit zarte lyrischen Entblößungen. Verblüffend ist, welch stimmige Symbiosen hier zwischen dem höchsten und tiefsten Streichinstrument funktionieren - man darf wohl annehmen, dass kaum jemand sonst außer Barry Guy und Maja Homburger so etwas können. Solistisch freie Rezitative wechseln mit expressiven Ausbrüchen. Ausweitungen und Überwindungen des tonalen Spektrums sind kein Widerspruch zu barocker Formenstrenge, die ja auch Györgi Kurtág praktiziert, wenn er hier ein Werk von Johann Sebastian Bach zitiert. Wieviel ausgeprägtes formales Denken auch in sehr freier Musik für Struktur und Zusammenhalt sorgt, legt Barry Guys zwölfteiliges Rondo offen. Kurtág ist immer wieder präsent und wird auch dem „Neueinsteiger“ nahe gebracht durch den lebendigen Schwebezustand zwischen komponierter Klangmusik und freier Improvisation. Lucas Niggli, der als Dritter im Bunde zur Mitwirkung im Duo Guy-Homburger eingeladen wurde, beweist hier viel Einfühlungsvermögen, wenn er zwar mit vielen perkussiven und geräuschhaften Aktionen überall im hohen und tiefen Klangspektrum unterwegs ist, aber niemals die feinen Streicherdiskurse (die sich allerdings auch oft selber perkussiv gebärden) zu dominieren trachtet.

Eine solche Konstellation zu dritt gab es schon einmal: Vor 18 Jahren haben Barry Guy und Maya Homburger ein ähnliches Projekt mit Pierre Favre realisiert. Bei letzterem hat Lucas Niggli übrigens einst studiert.

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