Mario Biondi Brasil
Absage in Herford
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Columbia Records
Heute wäre Mario Biondi in Herford in einer Konzertreihe des Musik-Kontors aufgetreten, wenn nicht ....wir wissen alle warum es nichts wurde. Auch die Veröffentlichung der neuen CD wurde auf den Herbst verschoben. Erst vor kurzem war Biondi durch den Corona-Song Il nostro tempo wieder auf You Tube präsent. Deshalb hier zumindest eine Besprechung seines letzten Albums: BRASIL.
Mario Biondi hatte 2006 mit dem High Five Quintet seine erste CD ‚Handful of Soul‘ (s.u.) herausgebracht. Er hatte damit – auch wegen seiner oft mit Barry White verglichenen Soul-Stimme - sehr großen Erfolg, wurde auf einen Schlag bekannt und erschloss dem Jazz neue Zuhörer. Mit ‚Brasil‘ brachte er nun im März 2018 eine CD mit einem neuen Konzept heraus, er sagte dazu selbst:
„Meine Beziehung zu Brasilien gibt es schon lange und die Idee eines Projektes dieser Art geisterte schon ein paar Jahre in meinem Kopf herum. Mir gefällt die Idee mich in einer anderen und unerwarteten Art und Weise neu zu erfinden.“*
Die CD wurde teilweise in Brasilien mit brasilianischen Musikern produziert. Mein erster Eindruck: vielfältig, lebendig, manchmal etwas zu eingängig. Vielfältig sind vor allem die Sprachen, Italienisch, Englisch, Portugiesisch und Französisch wechseln nacheinander, manchmal auch innerhalb eines Songs.
Die Texte der meisten Songs sind portugiesisch oder aus dem Portugiesischen ins Englische übersetzt. Funkig beginnt es mit Felicidade, wobei nur der Titel portugiesisch gesungen wird, die Stimmung aber diesem Titel genau entspricht. Devotion findet sich zusätzlich in portugiesischer Version als Mundo Coloridao, hier ist allerdings an Eros Ramazotti nicht weit – muss das sein?
Am besten gefallen hat mir On The Moon, aber auch Deixa Eu Dizer, letzteres mit Sänger und Keyborder Ivan Lins, einer Legende in Brasilien. Diese Songs klingen am jazzigsten, fetzige Bläsersätze als Einwürfe, punkiges Feeling, brasilianisches Flair. Der ursprünglich von Djavan als ‘Flor De Lis‘ komponierte Song Upside Down ist in Biondis Version kaum wiederzuerkennen, nicht nur wegen der Sprache, das klingt sehr mainstreammäßig unscheinbar, kein Gewinn.
Einige Songs fügen sich stilistisch nicht in die ‚Brasil-Thematik‘ ein. Rivederti, der San Remo-Erfolg, erinnert vielleicht an Andrea Bocelli, aber nicht an Brasilien. Jardin d’hiver ist zwar ein nettes melancholisches Lied, macht in diesem Kontext aber kaum Sinn, ganz im Gegensatz zu Jobims Luiza. Smooth Operator, der uralte Ohrwurm von Sade wird zwar kunstvoll von Till Brönner auf dem Flügelhorn begleitet, passt aber nicht in Gesamtkonzept (wenn es denn eines gibt).
Bei alldem muss man berücksichtigen, dass brasilianische Musik normalerweise nicht gleich Jazz ist. Nur im Bossa Nova gab es eine Verbindung. So kann man doch sagen, dass Biondi insgesamt eine interessante CD vorgelegt hat. Zwar uneinheitlich in der Zusammenstellung der Songs, weniger jazzig, aber unterhaltsam ‚brasilianisch leicht‘, z. T. anspruchsvoll, aber nicht unbedingt etwas für Jazzfans.
Viel besser gefällt mir die oben erwähnte erste CD von Biondi: ‚Handful of Soul‘. Mit seiner exzellenten Begleitband präsentiert er Songs, die ihn danach bekannt gemacht haben: This is what you are, A Handful of Soul und Rio de Janeiro Blue.
Auch Maceo Parker hätte im Herforder Musik-Kontor gespielt, sein Konzert wurde auf Oktober verschoben, ist aber schon ausverkauft. Mario Biondi kommt nun im April 2021, es gibt noch Karten!
*Mario Biondi zitiert in Repubblica v. 9.3.18, frei übersetzt von mir H.S.
Mario Biondi Brasil
Label:Columbia, 201
Bestellnummer: 8116045
Erscheinungstermin: 23.3.2018
Mario Biondi Handful of Soul
Label:Intuition, 200
Bestellnummer: 9162385
Erscheinungstermin: 16.6.2008