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Mare nostrum II

Akustisches Spa-Programm

Bochum, 13.07.2016
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | 

Paolo Fresu, Richard Galliano und Jan Lundgren sind ein wahrhaft eingespieltes Trio: Nach über 150 gemeinsamen Konzerten in mehr als 20 Ländern und ihrem Erfolgsalbum Mare Nostrum aus dem Jahre 2007 ist jetzt die von vielen Freunden einer europäischen „Weltmusik“ lang erwartete Fortsetzung erschienen.

Der sardische Trompeter und der französische Akkordeonist verschmelzen auch in ihrem neuen Album ihren mediterranen Hang zum Melodiösen und Lyrisch-Melancholischen mit dem Impressionismus des Nordens des schwedischen Pianisten.

Der Reigen setzt sich zusammen aus jeweils drei Kompositionen der drei Musiker und je einer Bearbeitung. Jan Lundgren verantwortet den melancholischen Tango Blue Silence, die Bearbeitung des Volksliedes Kristallen den fina, das ebenso liedhaft klingende Farväl. Sein Leklåt fällt aus dem Rahmen des die gesamte CD dominierenden gesetzten Wohlklangs, mit frechem Rhythmus und gewitzter Spielfreude widerspricht es dem Klischee vom ernsten Nordischen.

Giselle aus der Feder von Richard Galliano kommt als schwermütig-schleppendes Chanson daher, von leichtfüßigen Arpeggien und Läufen Lundgrens begleitet. Sein Lili gemahnt an die von ihm hochgehaltene Musette-Tradition, Aurore hat eher hymnischen Charakter. Seine Bearbeitung von Erik Saties Gnossienne No. 1 gerät demgegenüber ein wenig rhythmisch zupackender.

Paolo Fresus Trompete und Flügelhorn spielen und umspielen mit suggestivem kristallklaren Sound die Melodien seiner Mitspieler und die seiner eigenen Kompositionen wie den Opener Apnea, E varie notti tre vie notai oder sein Le livre d’un père sarde. Den Schluss des Albums bildet seine Bearbeitung von Claudio Monteverdis Arie Si dolce è il tormento.

Ja, und wirklich hat man am Ende von Mare Nostrum II den Eindruck, dass das Süße einem nach einem gewissen Zuviel zur Qual werden kann. In der Summe sind die zwölf Stücke der CD sehr balladesk, stellenweise fast zu schön und mitsingfähig, ja einlullend - für Freunde des liedhaften Wohlklangs und des musikalischen Traurigschönen wahrscheinlich ein wahrhafter Genuss. Natürlich spielen die drei technisch brillant und beziehen sich im Ornamentieren ihres musikalischen Materials traumwandlerisch genau aufeinander. Insgesamt jedoch wirkt das Album zu glatt, zu „schön“ und harmonisch, man wünschte sich mehr Brüche und Reibung etwa durch Disharmonie und rhythmischen Impact.

Wahrlich ist das neue Projekt des Trios kein ästhetischer Kommentar zum mare nostrum, der so bezeichneten Flüchtlingsrettung durch die italienische Marine und Küstenwache, sondern eher Ausdruck der romantischen Liebe zum Meer, die die drei Musiker verbindet.

Jedoch verbleibt durch ein Zuviel an Romantizismus bei allem subtilen Zusammenspiel von drei Ausnahmemusikern und ihrem raffinierten Synthetisieren von europäischen Musiktraditionen am Ende als Gesamtwirkung die eines akustischen Spa-Programms.

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