Malstrom
Bremen
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Dana Schmidt
Mahlströme sind diese brutalen Wasserwirbel, wo verschiedene Strömungen mit ordentlich Power aufeinanderknallen. Genau so klingt auch die Band Mahlstrom – seit 2010 lassen Jo Beyer (Drums), Axel Zajac (Gitarre) und Florian Walter (Sax) Jazz und Metal in einem Energie-Tornado aufeinanderprallen. Ihr neues Live-Album "Bremen" (Berthold Records, CD/Vinyl) zeigt: Wenn Genres kollidieren, kann verdammt geile Musik dabei rauskommen. Nach einem vielversprechenden Intro werden die Beats immer komplexer, ohne dass die Musik auch nur einen Moment lang an Wucht verliert. Im Gegenteil: Hier werden Genregrenzen so dekonstruiert, dass es nicht nur den Kopf, sondern vor allem die Eingeweide erreicht.
Mehr Finesse, gleiche Power
Live-Energie ist das Lebenselixier dieses Trios – klar, dass ihr mittlerweile viertes und bisher ausgereiftestes Album auch live entstanden ist. Das Material stammt vom Freaques de-la-Musique-Festival im September 2024 in Bremen. (Dass sich Mahlstrom auch in Japan pudelwohl fühlten, überrascht bei der Metal-Begeisterung dort wenig.)
Auf "Bremen" ist der Sound noch breiter, vielschichtiger und gleichzeitig filigraner geworden. Das symbiotische Zusammenspiel der drei Musiker erzeugt ein kompaktes Energiefeld, das trotz aller Kunstfertigkeit nie abgehoben wirkt. Zajacs 8-saitige Gitarre liefert brutale Bass-Frequenzen und verzwickte Soli in einem. Walters Saxofon pendelt virtuos zwischen mikrotonalen Flageolett-Orgien, Zirkularatmung und melodischen Erzählungen. Beyers Schlagzeug ist gleichzeitig rhythmischer Anker und melodisches Instrument – komplexe Metren halten die brodelnde Unruhe immer kurz vorm Überkochen. Besonders beeindruckend: die Live-Neuinterpretation der auf neun Minuten gestreckten Bandhymne "Mahlstrom" und das rhythmisch dekonstruierte "Hallo Katze" mit seinen schwebenden Tempowechseln. Das Trio verschmilzt lavagleiche Black-Sabbath-Riffs, Bebop-Sechzehntelkaskaden und Noise-Texturen zu einer unvergleichlichen Klangalchemie. Selbst bei extremstem Energielevel haben die Stücke durch kompositorische Präzision und melodische Sensibilität immer eine Richtung, erzählen eine Geschichte.
Magie des Moments
Die Frage, ob Mahlstrom eine Rockband oder ein Jazz-Ensemble sind, erübrigt sich angesichts der transformativen Kraft dieser Musik. Solche Schubladen werden hier sowieso gesprengt. Entscheidend ist: Wenn Leidenschaft auf Virtuosität trifft und der Wille, das Publikum zum Ausrasten zu bringen, mit stilistischer Finesse einhergeht, entsteht etwas Einzigartiges. Mahlstrom definieren ihr Alleinstellungsmerkmal – genau wie diese berüchtigten Wasserwirbel in nordischen Gewässern, die nie ihre Energie verlieren, sondern immer neue Massen in ihren Sog ziehen. Egal, was auch immer da reinfällt.
Album bestellen