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Magyarman in Copenhagen

Gábor Bolla Quartet: On The Move

Kopenhagen, 28.01.2022
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Annett Ahrens

Heute kommt Gábor Bollas neue Album On The Move in den Handel. Bolla ist Ungar und wohnt in Kopenhagen. Wie Sting als Englishman in New York muss er sich dort aber nicht fühlen, denn er gehört zur internationalen Jazz-Gemeinde und hat allerhand zu bieten.

  • Gábor Bolla Quartet

Gábor Bolla wurde 1988 in Ungarn als Sohn einer Sinti und Roma Familie geboren. Schon mit 12 Jahren erhielt er einen Nationalpreis für sein Klarinettenspiel. Später wechselte er zum Saxofon und engagierte Robert Lakatos für seine eigene Band, einen Pianisten, der dreizehn Jahre älter ist und bereits damals ein etablierter Musiker war.
Bolla ist inzwischen einer der führenden Saxofonisten. Von seiner Roma-Herkunft, wie sie noch 2017 beim Album Gypsy Tenors (mit Tony Lakatos und Rick Margitza) deutlich wude, ist auf dem neuen Album nichts mehr zu bemerken. Er spielt sein TenorSax geradezu klassisch, mit vollem Ton und klarer Phrasierung. Doch sollte man ihn nicht auf den Stil von Sonny Rollins festlegen, wie das oft in Rezensionen geschieht. Der Sound des Quartetts erinnert mich an die Band von Snorre Kirk, die manchmal ebenso ‚authentisch‘ klingt, als ob sie gerade frisch aus den 50ern eingereist sei. Das ist vielleicht nicht ganz zufällig, denn auch der Norweger Kirk lebt seit einiger Zeit in Kopenhagen. Im Moment soll Bolla zwar in Budapest sein und wegen Corona nicht ausreisen können. Doch bleiben will er wohl nicht in einem Land, in dem politische Freiheit klein geschrieben wird und der Staat brutal auch in die künstlerische Freiheit eingreift.

Bolas Quartett ist international aufgestellt, Kopenhagen ist nunmal eine weltoffene Stadt, auch was den Jazz angeht. Der Drummer Billy Drummond kommt aus den USA, der Bassist Daniel Franck aus Schweden. Der Pianist Robert Lakatos ist Ungar und ganz klar die Nr. 2 in der Band. Er überzeugt mit vielen abwechslungsreichen Soli, die sich nicht hinter Gabors Sax zu verstecken brauchen.

  • 5 eigene Kompositionen - Monk - J.J. Johnson - Strayhorn

Fünf der neun Stücke hat Gábor selbst komponiert. Mit Monky Donkey beginnt und endet das Album. Das ist sicher auch eine Hommage an Thelonious Monk, von dem auf der CD auch Wee See zu hören ist ; zwischendurch klingt Gershwin an. Das Alternate Take zu Monky Donkey am CD-Ende beginnt ganz anders als das erste Take, ich höre nur noch Gershwin‘s ‚It ain’t necessarily so‘ heraus, aber die Akkordstruktur ist wohl sehr ähnlich. Das ist im Jazz normal, wenn man bedenkt, wie viele Stücke auf den berühmten Rhythm Changes von Gershwins ‚I got Rhythm‘ basieren.
Blues On The Move steht programmatisch vielleicht für die ausgiebige Reisetätigkeit, aber auch für den lupenreinen Blues, den er hier geradezu zelebriert. Blue Tarif klingt da schon anders. Tarif ist ein muslimischer Männername und das Spiel auf dem Sopransaxofon klingt schon etwas orientalisch, erinnert aber auch an Coltrane.

Aus dem klassischen Jazz-Repertoire fallen besonders Lament und Chelsea Bridge auf. Lament ist eine Komposition des legendären Posaunisten J.J. Johnson. Gábor spielt es ähnlich ruhig wie Johnson; doch auf dem Sax hört sich das in einer anderen Klangfarbe ganz anders an, zumal Johnson durchgängig spielte, Gábor aber seinem Pianisten Raum für ein Solo gibt.
Billy Strayhorn hatte bei der Komposition von Chelsea Bridge wohl eine andere Londoner Brücke im Blick, Ben Webster hat das jedenfalls nicht gestört, als er es 1941 in der Ellington-Band spielte. Gábors Version kann natürlich keinen Bigband-Sound haben, dafür klingt einiges moderner. Er spielt es viel langsamer und distinguierter im Stil dess Cool Jazz.

  • 2012: ‚Find your way‘

Vor 10 Jahren brachte Bolla sein erstes Album Find your way heraus, mit Robert Lakatos, Lajos Sarközi, Heiri Känzig und Jojo Mayer. Auch dieses Album hat mich überzeugt, es ist mehr an der ungarischen Tradition orientiert. Lajos Sarközi ist mit seiner Geige fast durchgängig präsent. Ein Tanz und ein movement eines Violinenkonzertes von Bela Bartók werden interpretiert, aber auch Mornings of Budapest ist hörenswert.
Last not least ist Pete York’s Album Basiecally Speaking von 2013 zu nennen, zu dessen Friends auch Gábor Bolla gehörte. Hier spielt er - wie der Titel nahelegt - lupenreinen Swing.

Find your Way war seine Aufgabe vor 10 Jahren, und man kann sagen, ja, er hat seinen Weg gefunden. Doch dieser wird den jungen Saxofonisten sicher auch noch ganz woandershin führen. Wir werden berichten.

Gábor Bolla Quartet: On The Move
Stunt Records STUCD 21092 663993210926
Vertrieb: inakustik/The Orchard (digital)
VÖ: 28.1.2022

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