Bild für Beitrag: Lucas Niggli und Matthias Loibner | Still Storm
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Lucas Niggli und Matthias Loibner

Still Storm

Zürich, 08.08.2022
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Günther Pichler, Südtirol Jazz Festival Alto Adige

Lucas Niggli, der universelle Schlagwerker aus der Schweiz und der Österreicher Matthias Loibner, vermutlich der „Weltmeister“ auf der Drehleier, auch Hurdy Gurdy genannt, kennen sich schon seit vielen Jahren und lieferten gerade auf dem Alto Adige Festival einen beeindruckenden Duo-Auftritt. Dabei wurde ein großer Schatten werfender Baum auf einer Wiese vor einem Alpenhotel zum Klangraum für die beiden. Ihr aktuelles Projekt ist soeben als Album „Still Storm“ auf dem intakt-Label veröffentlicht worden.

Das eine lebt vielfältig durch das Anschlagen mannigfaltiger Materialien, das andere bringt Saiten durch eine rotierende Scheibe, die per Kurbel in Bewegung gesetzt wird, ins Klingen. Gegensätzlicher in ihrer Klangerzeugung können die Drehleier und das Schlagzeug wohl kaum sein. Aber wenn es um hohe Kunst geht, zählen ja nicht primär die Instrumente, sondern vor allem die Charaktere und deren Sache, der sie sich verschreiben. Lucas Niggli und Matthias Loibner vereinen ihre Instrumente im Duo zu einem kolossalen Ganzen, lassen voller Freude ihre Ideen fließen, spielen sich in Rage und maximieren auch mal den Energielevel, wenn zu Nigglis perkussiver Aktivität sein Partner umso schneller die Kurbel dreht und die Griffhand, die manchmal auch Zupfhand wird, die Saiten traktiert.

„Still Storm“ geht dabei einen Schritt weiter als alles vorherige - und das war auch so ausdrücklich gewollt. Der Titel bezieht sich auf einen Text von Peter Handke, der seine Gedanken über das eigene Leben protokolliert. Bei einer solchen Konzeptidee wollen die 16 Stücke eben viel mehr als nur virtuos oder musikantisch sein.

Eine kontemplative, aber zugängliche Klangwelt

Was Lucas Niggli und Matthias Loibner für das neue Album aus umfangreich improvisiertem Material heraus destillierten, formt eine kontemplative Welt, zu der aber ein leichter Zugang besteht. Denn wie ein roter Faden trägt die melodische Erfindungskraft durch alle Schichten aus Klang und rhythmischer Textur. Ganz oben leuchtet und schimmert der seidig-schnarrende, obertonreiche Klang des ursprünglich mittelalterlichen, hier aber konsequent ins Zeitlose erhobenen Instruments. Darunter breiten sich perkussive Prozesse, Improvisationen diesseits und jenseits des Metrums und Klangfarben unterschiedlichster Materialen aus. Irgendwo mutet die Melodie mal wie von fernöstlicher Pentatonik geprägt an, aber das war es auch schon mit irgendwelchen Referenzen oder Stilanleihen, denn über sowas stehen beide doch haushoch drüber.

Manchmal wirkt es psychedelisch aufgeladen bis dystopisch, aber schon bald versetzt es mit verspielter Leichtigkeit wieder in freudvollere Trancezustände. Ob im tiefsten Keller gerade ein elektronische Subbass oder ein riesiger Chinagong wabert, wir wissen sowieso hier nicht genau, was von wem und welchem Instrument herrührt. Also kann man ruhig einmal die Linernotes zitieren, wo ein Satz die Essenz sämtlicher Hördurchgänge dieses Albums auf den Punkt bringt: „Der Schlagwerker und der Leiermann spielen, als wären sie eins. Instrumentale Verortung löst sich unter ungeahntem Klangreichtum auf, als seinen mehrere ganz unterschiedliche, nahezu unbekannte Instrumente im Einsatz.“

Neue, lyrische Abenteuer

Nein, labyrintisch wird das alles nie, denn dafür sind Niggli und Loibner viel zu zentriert in dem, was sie tun und sind die Stücke alle auf den Punkt ausformuliert. Was für ein potentes Instrument haben sich die Menschen mit der Drehleier im Mittelalter erdacht! Loibner, der mit seinem Spiel zahlreiche Bands und Projekte bereichert, gibt sein Bestes, um das reiche Potenzial dieses raffinierten Saiteninstrument aus jeder Historisierung und Folklorisierung zu befreien. Das macht den Weg zu neuen, oft auch sehr lyrischen Abenteuern frei. Und Lucas Niggli ist in jedem Moment einfach der, der er ist und wo es nichts hinzuzufügen braucht.

Matthias Loibner: Hurdy-Gurdy, Electronics
Lucas Niggli: Drums, Percussion

All compositions by Matthias Loibner (AKM) and Lucas Niggli (SUISA) except "Auf Socken" by Matthias Loibner. Recorded by Lara Persia at Auditorio Stelio Molo, Lugano-Besso, on 4 and 5 January 2022. Mixed by Matthias Loibner in March 2022 in Vienna. Mastered by Michael Brändli, Hardstudios Winterthur on 30 March 2022. Intakt Records, P.O. Box, 8024 Zürich, Switzerland.

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