Kokoroko
Could we be more
TEXT: Heinz Schlinkert |
Die Band Kokoroko gibt es schon seit 2014, bisher hat sie nur einzelne Singles herausgebracht, darunter 2018 mit großem Erfolg ABUSEY JUNCTION, das sich zu einem Streaming-Hit entwickelte. Deshalb zählt die Band im Moment zu den "Rising-Stars", im August ist nun ihr erstes Album Could we be more erschienen und im September beginnt ihre Tournee, die die Band auch nach Köln führt.
Beim ersten Hören hat mich die Musik nicht weiter beeindruckt. Aber nachdem ich die Band auf Youtube (s. u.) gesehen hatte, hat sich das geändert. Man muss die Band live erleben, und sei es nur im Film, um ihre Dynamik zu erfassen, das ist mir mit JAZZRAUSCH ganz ähnlich ergangen.
- KOKOROKO
In der Sprache der im nigerianischen Delta lebenden Urhobo bedeutet der Bandname „Sei stark“. Stark muss man wohl sein als Frau mit Migrationshintergrund in der Londoner Szene, denn die meisten in der Band haben westafrikanische Wurzeln. Schon 2019 brachte die Gruppe eine EP als Vinylsingle 12'' mit vier Stücken heraus (s. links). ABUSEY JUNCTION war schon dabei.
Ins Auge fällt sofort der rein weibliche Bläsersatz. Die Trompeterin Sheila Maurice-Grey scheint der Kopf der Band zu sein. Sie möchte Jazz wieder hip für junge Leute machen. Die Saxofonistin Cassie Kinoshi ist vom Fach, sie hat an der Elite-Hochschule Trinity College Of Music studiert. Richie Seivwright spielt Posaune. Dieses Trio hat auch die wichtigsten Gesangsanteile, eindeutig mit Showcharakter.
Die Rhythmusgruppe bilden ein Schlagzeuger (Ayo Salawu) und ein Perkussionist (Onome Edgeworth). Für den Groove stehen nicht zuletzt Yohan Kebede (keyboard), Duane Atherley (Bass) und insbesondere der Gitarrist Toby Adenaike, der eine besondere Musikalität entwickelt.
- Could we be more
Die jungen Musiker sind 'unbelastet' von Jazz-Traditionen und Genre-Grenzen und machen ihre eigene Musik, wobei viele Einflüsse erkennbar sind. Das macht das Album sehr vielfältig und interessant.
We give thanks und Something's going on wurden schon vorher als Singles ausgekoppelt. Einiges erinnert an den Nigerianer Fela Kuti, der den Afrobeat erfunden haben soll und der auch Saxophon und Trompete gespielt hat. Besonders Age of ascent und Ewà inú erinnern an ihn. Soul searching beginnt wie Country Music, We give thanks klingt dagegen südafrikanisch, die Band ist wirklich global aufgestellt.
Einige Stücke fallen vor allem durch ihre Kürze auf: Blue robe (Pt.I + II) dauern nur 30 Sekunden, reiner Rhythmus, klingt echt afrikanisch. Reprise und Interlude haben sich mir nicht erschlossen.
Trotz der Vielfalt ist das Album kein Gemischtwarenladen, denn der Sound bleibt durchgängig derselbe. Earth, Wind & Fire ist manchmal nicht weit.
Toby Adenaike bringt sich über weite Strecken, z. B. bei Those good times mit harmonischen Gitarrenriffs ein. Die Bläserinnen sind zwar in ihrem Impetus überzeugend, aber ihre Soli bleiben sehr übersichtlich, da wäre noch mehr drin.
- ___ unterm Strich ___
Viel Selbstbewusstsein und Gruppengefühl signalisiert die Band. 'Wohlfühljazz' könnte man es schon nennen, das hatten wir schonmal ähnlich beim 'Songjazz' von Trioscence. Doch hier steckt mehr dahinter: Something's going on heißt ein Stück, es soll vorangehen mit der Musik, doch auch mit dem Kampf schwarzer Frauen gegen die Benachteiligung.
Die taz nennt die Musik von Kokoroko einen 'ultraentspannten, warmen Klangteppich' , dem ein paar 'Widerhaken' gutgetan hätten. Stimmt! Da könnte mehr passieren. Mit guter Laune allein verändert man nicht die Welt.
Kokoroko Could we be more
Label: Brownswood, 2021
Bestellnummer: 10896174
Erscheinungstermin: 12.8.2022
Am 24.9. tritt die Band in Köln im Bürgerhaus Stollwerck auf.