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Kimmig-Studer-Zimmerlin and John Butcher

RAW

Bochum, 21.02.2017
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | 

Das deutsch-schweizerische Streichertrio Kimmig-Studer-Zimmerlin hatte in NRW bereits häufig viel beachtete Auftritte im Rahmen der Reihe soundtrips NRW, bedauerlich, dass ihre wunderbar filigrane Improvisation nur allzu flüchtig der jeweiligen Spiel- und Hörsituation ausgesetzt ist. Ihre unlängst erschienene CD RAW mit dem englischen Gast John Butcher am (Tenor- und Sopran-)Saxophon gibt jetzt Gelegenheit, den eher ruhigen Dialog von drei Streichern und dem Saxophon anlässlich eines Live-Konzerts im Münchner Untergrund im Einstein Kulturzentrum konzentriert zu verfolgen.

Der 4-Track-Reigen beginnt mit dem 17-minütigen A short night with a light beam of he moon mit einem Geflirre von Saitengeräuschen, mit denen das Tenorsaxophon in Beziehung tritt. Saxophon-Läufe kommunizieren mit einem unerschöpflich wirkenden Arsenal an Zupf- und Streich-Techniken. Es folgt eine sehr ruhige atmosphärisch wirkendende Sequenz. Häufig ist bei der CD kaum unterscheidbar, welches Instrument gerade für welchen Sound verantwortlich ist, zu sehr verschmelzen die einzelnen Stimmen zu einem suggestiven Gruppensound. Bemerkenswert dabei ist, wie das Blasinstrument sich den drei Saiteninstrumenten organisch einfügt, alle vier machen sich auf den Weg einer bedingungslosen Klangreise, bei dem das Tempo deutlich dem Klangexperimentellen gegenüber zurücksteht.

Weiter entsteht eine Dynamik, die von einem Dauerton des Tenors angeregt wird, ein Bass-Pizzicato folgt ihm, begleitet von einem „Gemurmel“ der Streicher. Das Stück endet mit einer „fordernden“ starken Stimme im dissonanten Tutti.

Beim Track Cloudless sky and the sun tasten sich repetitive Streicher-Sounds in einer Suchbewegung langsam an einen Kollektivsound heran – einem Gezwitscher ähnlich. Dieses wird begleitet vom wummernden Kontrabass, das Klanggewebe mutiert zu einem eher perkussiv anmutenden Dialog.

Morning star shining on Hydranges beginnt mit einem Motiv auf dem gestrichenen Bass, es folgt ein aufgeregt wirkender Dialog des Quartetts mit immer wieder neuen Klangsphären, auch hier korrespondiert das überblasene Sopransaxophon Butchers wunderbar mit den klagenden Saitengeräuschen. Improvisierte Musik braucht einen langen Atem, in den 15 Minuten dieses Tracks entwickeln sich verschiedene Stränge, ein ruhiger zeigt sich in der zweiten Hälfte mit einer Vielfalt an Klangerzeugung, bestehend aus einem Pizzicato der Violinen, geschlagenen Bass-Saiten als Konterpart, Kratzgeräuschen, Schaben, erweitert durch eine Violinen-Linie.

Croaks of frogs at midnight under the milky way arbeitet stärker mit einem dynamischen Verlauf, bei dem alle vier Stimmen hochkonzentriert an einem verstörenden Klang weben.

RAW bietet eine ausgesprochen intensive musikalische Kommunikation und erzielt damit einen klanglichen Nuancenreichtum, „Roh“ ist dabei vielleicht der improvisatorische Prozess, das auf der CD eingefrorene Klangprodukt jedenfalls vermittelt dem Hörer den Genuss einer dichten und reifen Improvisation. Wie Hannes Schneider im Booklet treffend formuliert: „...eine Sternstunde der unwiederholbaren Spontankomposition wurde dem Schicksal seiner Vergänglichkeit entrissen.“

Der Saxophonist John Butcher ist übrigens in der übernächsten Woche im Kölner Stadtgarten mit dem Pianisten Georg Graewe mit dem Quartett Frisque Concordance zu erleben: Mittwoch, 08.03.2017.

Trio Kimmig-Studer-Zimmerlin and John Butcher: RAW. Leo Records 2016.

John Butcher: Saxophone

Harald Kimmig: Violine

Daniel Studer: Kontrabass

Alfred Zimmerlin: Cello

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