KID BE KID
Truly a Life Goal but No Ice Cream
TEXT: Stefan Pieper |
Was macht die Relevanz des zweiten Albums von Sandra Lötzsch, die sich den Künstlernamen Kid be Kid gegeben hat, aus? Die vielfach begabte, in Berlin lebende Künstlerin stellt ihre Potenziale in den Dienst einer klugen Botschaft, die längst überfällig war: „Truly a Life Goal But No Ice Cream" ist eine Abrechnung mit dem digitalen Overkill, jener Allmacht von Bildschirmgeräten, Algorithmen, Vernetzungen, die längst von kleinauf die Lebenswelt vom Aufwachen bis zum letzten Wimpernschlag kolonisieren. Die immer aufs Neue Lebenszeit verbrennt durch all die Ablenkungen, Verführungen, Manipulationen, sodass das Individuum nicht selten gegen Selbstauslösung kämpfen muss. Soll und kann es so weiter gehen?
Alles passiert in Echtzeit
Jenseits solcher Slogans, die diese Zeit braucht, weil es an der Zeit ist, aufzuwachen, steht bei Kid be Kid ein musikalisches Potenzial, das ein Phänomen für sich ist: Alles läuft in Echtzeit zusammen und wird live erzeugt: Rhyhtmische Strukturen, Basslinien, perkussive Gesten. Vor allem letztere, welches die Musikerin mit ihrer einzigartigen Beatbox-Technik realisiert. Aber wo andere so etwas vielleicht als virtuoses Gimmick herauskehren, wird das bei ihr zur Grundlage eines musikalischen Gesamtkontextes, der ausgesprochen zentriert wirkt. Collagenhaft prallen Gesangsphrasen auf „Spoken word poetry". Auch gesangstechnisch muss die Herausforderung extrem sein, in diesem grellen Kaleidoskop hin und her zu switchen.
Alles das, wächst auf dem neuen Album von Kid Kid nochmal über sich hinaus. Auch herrscht sie über Tasten und Geräte mit fast beängstigender Souveränität - und baut mitten in abstrakte Noise-Gewitter auch mal stilsichere Jazzphrasen ein, Bereichert das ganze mit coolen, sehr „analog" anmuteten Elektronik-Sounds, während Basslinien wabern und schleppende, gebrochene Beats tief in allen möglichen Hiphop-, Grime, Garage oder Dubstep- Derivaten unterwegs sind. Andere Tracks sind wieder leichtfüßiger und sind von versöhnlicherem Pop-Appeal getragen.
Kunst kommt von Können
Viele schieben gerade Panik, weil künftig womöglich „die Künstliche Intelligenz" einen großen Teil der Musikproduktion übernehmen könnte. Und reale Musikerinnen und Musiker dann etwa überflüssig werden? Angst hat mit mangelndem Selbstbewusstsein zu tun. „Kid be Kid" setzt mit lässiger Überlegenheit eben das entgegen, was unersetzbar bleiben wird. Weil Kunst letztlich doch immer von Können kommt.
Live
„Kid be Kid" ist auch gleich mehrfach live zu verleben: Zum einen am 24. Juni in Gelsenkirchen beim Querbeat-Festival und am 30. Juni beim Südtirol-Alto Adige Festival. Ebenso am 19. September im Bielefelder Bunker Ulmenwall.
https://www.youtube.com/watch?v=khoh1S_7_Jc&t=8s