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Julie Campiche & Capella Jenensis

Transitions

Marl, 11.03.2025
TEXT: Stefan Pieper | 

Während die Harfe in klassischen Kontexten oft auf ornamentale Rollen reduziert wird, emanzipiert die frankoschweizerische Musikerin Julie Campiche das Instrument zu einem vollwertigen Ausdrucksmedium, das zeitgenössische Klangsprache mit historischer Tiefe vereint. Aber sie denkt auch über ihr Instrument hinaus als ganzheitliche Komponistin und Bandleaderin. Was für ein künstlerischer Level hier möglich ist, zeigt die Kooperation ihrer Band mit der Capella Jenensis, einem Spezialensemble für Alte Musik und historische Aufführungspraxis. Das Projekt hat schon einen längere Vorgeschichte: Schon 2019 wurde diese Kollaboration beim "NachtKlang" des Musikfests Erzgebirge mit dem ersten Preis gewürdigt. Die nun vorliegende Studioeinspielung, entstanden im lichtdurchfluteten Kammermusiksaal des Deutschlandfunks, bestätigt eindrucksvoll, dass hier eine Künstlerin mit viel Engagement neue klangliche Horizonte erschließt.

Campiches Quartett – mit Leo Fumagallis expressivem Saxofon, Manu Hagmanns eloquentem Bass und Clemens Kuratles feinsinniger Rhythmik – begegnet den historischen instrumentalen Stimmen der Capella Jenensis mit einer Selbstverständlichkeit, die jede Künstlichkeit vergessen lässt. Annegret Dudeks brillante Blockflöte, die samtig-warmen Violen da gamba von Gertrud Ohse und Tillmann Steinhöfel sowie Daniel Trumbulls funkelndes Cembalo erscheinen nicht als Fremdkörper, sondern als natürliche Erweiterung des Klangspektrums.

Organische Erweiterung des Ausdrucks

Die acht Tracks des Albums legen die ganze Bandbreite dieses Transformationsprozesses offen. Nicht nur in der Adaptierung von Werken des Renaissance-Meisters Arcadelt und des Gambenvirtuosen Marais beweist Campiche eine kunstvolle Beherrschung kontrapunktischer Verfahren und ein tiefes Verständnis für modale Tonsprache. "Musette" etwa beginnt als quasi-historische Klanglandschaft, in die sich unmerklich moderne Rhythmen einschleichen und elektronische Texturen den Raum zu weiten beginnen – ein informierter und zugleich befreit zeitgenössischer Zugriff.

Julie Campiches expressives, schon aus dem Vorgängeralbum bekanntes Stück "Aquarius" wird in der Erweiterung zum Oktett auf einen neuen Level gehoben. Und auch sonst eröffnet die ungewöhnliche Instrumentierung eine Fülle klangsinnlicher Bereicherungen: Zarte, teils elektronisch erweiterte Harfenfiguren verschmelzen mit den Holzbläsern, vibrierende Gambentöne treffen auf metallische Cembalo-Resonanzen, dieses Spektrum reicht von intimer Kammermusikalität bis zu orchestraler Fülle. Die Integration elektronischer Elemente erfolgt mit viel Understatement im Hintergrund als organische Erweiterung des akustischen Ausdrucks. "Transitions" markiert schon wieder einen beachtlichen Entwicklungsschritt auf dem jungen künstlerischen Weg dieser Musikerin. Es ist eine ausgesprochen reizvolle, in jedem Moment überzeugende Musik, die ihre Komplexität nie zur Schau stellt, sondern zum Hören, Staunen und zum Entdecken neuer musikalischer Möglichkeiten einlädt.

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