Bild für Beitrag: Julie Campiche Quartet | You Matter
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Julie Campiche Quartet

You Matter

Tübingen, 17.01.2023
TEXT: Stefan Pieper | 

Das schweizerische Julie Campiche Quartet hat sich im Herbst mit seinem zweitem Album »You Matter« zurück gemeldet- und hatte im Dezember starte Eindrücke bei einem Auftritt auf der stimmungsvollen Wasserburg Lüttinghof hinterlassen. (siehe review...)

Normal ist es nicht, dass hier die Harfe über weite Strecken zum Lead-Instrument wird, ebenso wenig, dass die Spielerin dieses feinen Instruments Julie Campiche auch gleich als Bandleaderin sämtliche Geschicke antreibt.

Aber die in Genf hervorragend klassische ausgebildete Musikerin wusste, was sie von dem Moment an wollte, als sie zum ersten Mal mit ihrer (für sie bis dahin eher klassisch konnotierten) Harfe zu einem Gastspiel in einer Jazz-Bigband eingeladen wurde.

Spiritueller Jazz

Die Faszination für Improvisation war geboren - jetzt galt es, nur lange genug an der Sache dran bleiben. Also eine Band gründen – und da fand sie ideale Mitstreiter im Saxofonisten Leo Fumagalli, dem Schlagzeuger Clemens Kurtle und dem Bassisten Manu Hagmann – der Wille zur kreativen, offenen Kollaboration auf Augenhöhe erwies sich als gemeinsamer Nenner. Jeder ist wichtig und jeder improvisiert in dieser Band. Das liefert genug Futter für die sieben, episch langen Stücken des neuen Werkes. Ihr Debütalbum aus dem Jahr 2020 war das von der Kritik gefeierte "Onkalo", was auf Finnisch "Höhle" bedeutet und der Name eines unterirdischen finnischen Reservoirs für radioaktiven Abfall ist. Durch die Klänge des spirituellen Jazz, oder "Helldunkel", spiegelt dieses erste Album bereits Campiches Wunsch wider, ihre Musik mit umfassenderen Weltthemen wie dem anhaltenden Klimanotstand zu verbinden.

Das zweite Werk wirkt melodiöser und zugänglicher

„You Matter“ wirkt im Vergleich zum improvisatorisch offener gehaltenen Vorgängerwerk melodiöser und freundlicher. Das große Fass wird gleich zu Beginn aufgemacht: Das Intro zum Stücke „Aquarius“ ist großes Hörkino. Sphärische Elektronikflächen und ein tiefer Subbass färben den Hintergrund, stecken einen Klangraum zum Sichdrinverlieren ab. Mittendrin lebt die filigrane Zartheit von Julie Campiches Harfenspiel, das aber zugleich klar konturiert und führend daher kommt. Und damit genug wiederum Inspirationsquelle für ausgiebige Saxofon-Erzählungen ist. Die meisten Titel haben ein programmatisches Anliegen: 'Aquarius' verweist auf ein SOS-Mittelmeerschiff, das in Italien von den Behörden beschlagnahmt wurde, weil es versuchte, ertrinkende Flüchtlinge zu retten. "The Underestimated Power" appelliert an die unterschätzte Macht der Frauen. Das Stück „Fridays of Hope“ will eine Vision für eine bessere Welt liefern, wenn hier eine Rede von Greta Thunberg zitiert wird.

Es geht um Aussage, nie um Pose

Vielgestaltig umspannen die Arrangements und Kompositionen eine breite Gefühlspalette, besteht doch die hohe Kunst dieses Quartetts darin, aus alldem lyrische Bögen zu spannen. Also steht die opulente Klangprachtnie im Widerspruch zu zarter Innerlichkeit, ebenso wie auch rockige Energie vorwärts treibt. Und in der Melancholie schimmert immer wieder ein Silberstreif am Horizont.

Man nimmt dieser Band dies alles andere ohne weiteres ab. „You Matter“ liefert einen jungen europäischen Jazz, dem es um empfindsame Aussage und nie um Pose geht.

Julie Campiche

You Matter

Label: Enja

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