Jürgen Friedrich
Reboot
TEXT: Stefan Pieper |
Der Pianist Jürgen Friedrich hat sich ausgiebig in der Kölner Szene herumgetrieben - welche im Presseinfo zur neuen Trio-CD „Reboot“ als „virulenter Untergrund“ bezeichnet wird. Der vielfach ausgezeichnete Jazzkomponist traf in Köln auf zwei junge Talente, nämlich den Bassisten David Helm sowie Fabian Arends am Schlagzeug. In brillanter Qualität aufgenommen wurde diese Begegnung im Kölner Loft und erscheint heute auf Nils Wograms noch jungem Labhel nwog-records.
Auf „Reboot“ springt einen das unmittelbare Klangereignis regelrecht an. Vor allem das singende, sphärisch aufleuchtende, oft in hohen Registern die Melodie weitertragende Bassspiel von David Helm evoziert die ganze nur erdenkliche Haptik von Sound. Den man anfassen möchte, der plastisch im Raum steht. Von diesem 25 Jahre jungen Bassisten, der seit 2011 in Köln bei Dieter Manderscheid studiert, wird man sicherlich (hoffentlich!!!) noch viel großes hören und erleben.
Über das Material in weiten Freiräumen reflektieren, die Ideen erstmal ganz lange im Raume schweben lassen und sie suchen und dann niemals allzu fest zugreifen - damit sie weiter leben, sich verändern und zu etwas neuem unvorhergesehenen mutieren, das scheint das Gebot der Stunde bei diesem Trio zu sein. Das ist die Grundmechanik für diesen kollektiven spielerischen Fluss der drei Musiker. Aber eigentlich ist das atmende Miteinander dieses neuen Trios doch das absolute Gegenteil von jeder Mechanik!
Jürgen Friedrich fantasiert, improvisiert und assoziiert am Piano in weitgespannten erzählenden Bögen und virtuosen Mikrokosmen. Und immer wieder wird die Musik entwaffnend konkret: Jürgen Friedrichs Pianospiel steuert zuweilen eine Bluesskala an, überführt so gerne das abstrakte ins lyrische. Durchaus so, wie wir es zum Beispiel von Paul Bley oder von vielen ECM-Produktionen schätzen.
David Helm s wagemutige Klanglandschaften auf dem akustischen Bass gebärden sich expressiv singend, dann wieder abgründig sonor. Und auch Fabian Arends gibt sich auf dem Schlagzeug extrem emanzipiert, wenn er aus Interventionen, Impulsen, Klängen, Geräuschen weitgespannte Linien formt, die sich nie allzu stark ins Spiel der anderen beiden einklinken, dafür den Horizont noch mehr weiten: Ein sensibler Klanggestalter ist Fabian Arends , der übrigens auch schon bei Jonas Burgwinkel in die Lehre ging.
Also formen sämtliche Gratwanderungen zwischen tonaler und atonaler Auffassung hier doch letztlich ein „Jazzalbum“, und zwar ein ganz starkes wohlgemerkt! Treffsicher gelingen die Zugriffe auf Kunstmusik des 20. Jahrhunderts, nämlich auf eine Invention von Witold Lutoslawski sowie Arnold Schönbergs Klarvierstück opus 11.1.
Sowas könnte sogar den strengen Adorno versöhnen, der in Schönberg die höchste Offenbarung, im Jazz hingegen den Untergang des Abendlandes verkörpert sah. (Nicht überall lag dieser Jahrhundert-Denker richtig....)
Eine direkte Reinhör-Möglichkeit gibt es unter folgendem Link: