John Mayall: The Sun is Shining Down
Blues for Oldies?
TEXT: Heinz Schlinkert |
Ende Januar ist The Sun is Shining Down von John Mayall erschienen. Mayall ist inzwischen 88 und hat dazu US-bekannte Musiker eingeladen, die ihn mit Gitarren, Violine, und Blasinstrumenten unterstützen. Aber wer kennt John Mayall überhaupt noch?
- John Mayall - King of White Blues
Wahrscheinlich sagt den meisten Jüngeren der Name Mayall nicht viel. Ich dagegen bin mit ihm groß geworden und habe noch einige seiner LPs im Regal stehen. Bevor ich etwas vom Blues als afroamerikanischer Musik wusste, habe ich mich als Teenie für John Mayall und seine Bluesbrakers begeistert.
„J.B. Lenoir is dead and it hit me like a hammerblow” hieß es in einem seiner Songs. Aber erst viel später verstand ich anhand eines Films aus Martin Scorsese’s Blues-Anthologie, dass J.B. Lenoir ein schwarzer Bluessänger war, den Mayall sehr bewundert hat. Der weiße Blues von Mayall steht also auf ‚schwarzen Füßen‘.
Jazz war out für die meisten jungen Leute, seitdem es Rock’n Roll gab. Doch es war gerade ‚Jazzpapst‘ J.E. Berendt, der schon 1960 durch eine für den Südwestfunk in Chicago produzierte Session eine große Blues-Begeisterung in Europa auslöste, die dann zu dem jährlich stattfindenden europäischen American Folk Blues Festival führte.
Alexis Korner gab mit seiner Band Blues Incorporated 1961 den Anstoß zur Entwicklung des weißen Blues in England. Die Rolling Stones, Led Zeppelin und eben auch John Mayall begannen dort ihre Karriere. 1963 gründete Mayall seine Bluesbreakers, aus denen wiederum viele berühmte Musiker hervorgingen: Erik Clapton, Keef Hartley, Peter Green, Mick Taylor u.v.a.
Nachdem 1968 das berühmte Laurel Canyon Album erschienen war, verlegte Mayall seinen Wohnsitz ganz in die USA. 1972 kam er mit seiner Jazz Blues Fusion dem Jazz sehr nahe, nicht zuletzt, weil Blue Mitchell, ein wichtiger Trompeter des Hard Bop, dabei war. Danach wurde es ruhiger um Mayall, er ging oft auf Tournee, auch nach Deutschland. 2014 spielte er noch in der Bochumer Zeche. Es war immer sein Ding junge Musiker mit seiner Band bekannt zu machen.
Inzwischen ist er mit 88 und er ist immer noch aktiv. Zu seinem neuen Album The Sun is Shining Down hat er US-bekannte Musiker in seine Band eingeladen. Scarlet Rivera spielt in zwei Stücken Violine. Ansonsten sind die ‚featured musicians‘ durchweg Gitarristen: Melvin Taylor, Buddy Miller, Mike Campbell, Marcus King und Jake Shimabukuro (Ukulele). Natürlich ist auch Mayall’s Rhythmusgruppe dabei mit Greg Rzab (Bass), Jay Davenport (Schlagzeug) und Carolyn Wonderland (Gitarre). Mayall selbst spielt Keyboards und BluesHarp und singt
- 12 Bar Blues wie eh und je
Das erste Stück Hungry and ready könnte genausogut von den ehemaligen Bluesbrakers stammen, aber hier spielt nicht Clapton, sondern Melvin Taylor Gitarre. Die Bläser (Ron Dziiubla sax, Mark Pender tp, Richard A Rosenberg tb) sind im ganzen Album präsent und haben als Bläsersatz eine ähnliche Rolle wie schon Chris Mercer in den Anfängen der Bluesbrakers. Soli wie im Album Turning Point (1969) von Johnny Almond sind nicht dabei.
Mayall hat 6 Stücke selbst komponiert. Warum er ausgerechnet Deep Blue Sea vom Album USA Union (1970) dazugenommen hat, ist mir schleierhaft. Die Melodie ist simpel, der Text banal. Vielleicht hat er es ausgewählt, weil damals Don “Sugarcane” Harris Geige spielte und nun Scarlet Rivera den Part übernehmen kann? Aber da gabs auch bessere Stücke. Auch bei Got to Find a Better Way ist Scarlet zu hören.
Carolyn Wonderland, die in der Kernband normalerweise Rhythmusgitarre spielt, übernimmt durchaus überzeugend bei The Sun is Shining Down die Sologitarre.
Musikalisch Neues findet man nicht wirklich, die strikt durchgezogene 12-Takt-Struktur begründet viele Ähnlichkeiten. Trotzdem hat jedes Stück sein eigenes Gepräge, auch wenn einem einige Stücke manchmal irgendwie bekannt vorkommen. Trotz Violine und Ukulele, die Band war und ist nunmal eine Gitarrenband. Mayall selbst spielte anfangs Gitarre in seiner Band.
- Sunshine in California
“I hate to see the evenin' sun go down’ heißt es im St. Louis Blues, doch bei Mayall klingt der Sonnenuntergang nicht negativ. Im letzten Stück “The Sun is Shining Down” geht es um eine Art Lebensbilanz und da hat die Sonne Symbolcharakter:
“It's been a long, long journey and I ain't got time to quit
Things are going so good so far, not bad for some old Brit
And I'm so glad the sun is shining down on me
Got a home in California and no place I would rather be.”
Das Stück erinnert an das Laurel Canyon Album, bei dem Mayall mit Walking on Sunset ein hohes Maß an Kohärenzgefühl erkennen ließ (“Everything is like a friend”). Allerdings kann man bei diesem Rückblick auch den Sonnenuntergang erahnen – ist dies sein letztes Stück?
Mayall ist sich einfach treu geblieben und das hat schon was – auch für jüngere Hörer? Das wage ich zu bezweifeln, aber mir gefällts.
Und wem das noch nicht reicht, der kann sich für 300 Euro locker das Box-Set John Mayall: The First Generation 1965 - 1974 besorgen. Es enthält auf 35 CDs alle Alben, unveröffentlichte Tracks und auch noch einen Bildband.
Die Farewell Tour 2022 fällt – wie bereits in den News angekündigt – leider aus, das gilt auch für die für März geplanten Konzerte in Köln und Bochum.
John Mayall, The Sun is Shining Down
Label: Forty Below, 2021
Bestellnummer: 10759464
Erscheinungstermin: 28.1.2022