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Joachim Kühn New Trio: Beauty And Truth

Schönheit und Wahrheit sind sich ganz nahe

Bochum, 29.03.2016
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | 

Über 70 Jahre, und kein bisschen leise. Joachim Kühn, der wohl bekannteste Pianist aus Deutschland mit internationalem Ruhm, kehrt nach langen Jahren zu einer Trio-Formation zurück, die sich mit seinen früheren Begleitern Jean-Francois Jenny-Clark und Daniel Humair über 30 Jahre als ausgesprochen produktiv zeigte oder in den letzten Jahren in der Formation mit Majid Bekkas und Ramon López einer "afrikanischen" Klangwelt verpflichtet war. Mit dem vielseitigen Bassisten Chris Jennings aus Kanada und dem auch im Michael Wollny-Trio aktiven Drummer Eric Schaefer gibt der Kaskaden-Zauberer an den 88 Tasten jetzt mit seiner neuen CD Beauty & Truth ein Debut mit dem „New Trio“, Titel der CD und Opener bildet der Ornette Coleman-Titel Beauty And Truth – nicht von ungefähr eine Verbeugung vor dem im letzten Jahr verstorbenen Komponisten und Saxophonisten, der zwischen 1996 und 2000 ausschließlich mit Kühn zusammenspielte und zu dem Joachim Kühn eine besondere Nähe empfindet.

So kurz das Titelstück mit 1:22 Minuten auch ist - man bekommt in dem Piano-Solo gleich zu Beginn der CD einen direkten Zugang zum Kern des Stücks, was gewissermaßen auch für die Tracks der gesamten CD gilt: Joachim Kühn widmet sich der melodiösen Kraft von Stücken ganz unterschiedlicher Provenienz: zwei Doors-Klassikern (The End und Riders On The Storm), dem Gershwin-Gassenhauer Summertime in einer raffiniert reharmonisierten und variantenreichen Version, Gil Evans’ Blues For Pablo, einem Stück, das – wie Kühn sagt - mit gerade fünf Tönen einen ganzen Kosmos eröffnet bzw. von Kühn in gut acht Minuten zu einem verhaltenen, dann sich steigernden improvisatorischen Feuerwerk entwickelt wird.

Aber auch bei seinen eigenen Kompositionen wie Intim oder dem kraftvoll groovigen Because Of Mouloud oder Transmitting aus dem gleichnamigen Dokumentarfilm (s. nrwjazz-Rezension) mit atemberaubendem Spieltempo zeigen Kühns meisterliche Art, bekannten, fast „abgenudelten“ Melodien neues Leben einzuhauchen und ihnen durch harmonische und rhythmische Variation und ein quirlig-kraftvoll virtuoses Spiel einen unverwechselbaren Kühnschen Qualitätsstempel aufzudrücken. Dies gilt auch für die beiden Titel aus der Feder von Krzysztof Komeda, dem Sleep Safe And Warm mit der bekannten Melodie aus Roman Polanskis Rosemary’s Baby, und Kattorna, das der Komponist im Beisein von Kühn 1965 in Warschau aufnahm und damit den Pianisten aus Leipzig schon damals nachhaltig beeindruckte.

Eric Schaefer gibt – wie bei Michael Wollny – auch diesem Trio einen straighten Drive mit immer wieder raffinierten Wendungen. Er hat auch den Stand High Patrol-Dub-Reggae Sleep On It in die Produktion eingebracht, der Kühn die Basis für seine bekannten perlenden Läufe gibt. Chris Jennings passt mit seinem zupackenden energischen Spiel am Kontrabass komplementär zum Drum-Groove, nicht von ungefähr sieht der Altmeister in den beiden jüngeren Vertretern einer eher am „geraden“ Rhythmus orientierten Generation sein neues Traum-Team.

Der wahre Kern der Schönheit ist das, was Joachim Kühn mit seinen beiden Mitstreitern aus bekanntem Material herausschält. In den bis auf Blues For Pablo kurzen Stücken gelingt dies ausnahmslos. Auch wenn die Melodien noch so bekannt und nahe am Kitsch sein mögen, das New Trio überzeugt mit seinen Preziosen und demonstriert anschaulich, dass Beauty und Truth nahe beieinander liegen können.

Joachim Kühn New Trio: Beauty & Truth. ACT 9816-2

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