Jazzrausch Bigband
Bangers Only!
TEXT: Vera Marzinski | FOTO: Vera Marzinski - Cover Lena Maidl / Bild 2 Sebastian Reiter
Mit "Bangers Only!" haben die Musiker und Musikerinnen der Jazzrausch Bigband jetzt bereits ihr zwölftes Album herausgebracht. Und das, obwohl sie gerade mal ihr Zehnjähriges feiern. „Bangers Only!“ enthält 13 zum Teil bereits bekannte, aber neu aufgenommene Techno-Jazz-Songs im bewährten und erfolgreichen Jazzrausch-Bigband-Sound. Eine Zusammenstellung die detailreich und sehr kompakt die Jazzrausch-Bigband wiedergibt.
Ein Querschnitt aus Zehn Jahren Jazzrausch Bigband
Der Albumtitel Bangers Only gibt die Richtung vor. In der Pop- und Clubszene steht „Banger“ für Tracks, die unmittelbar ins Ohr gehen und das Publikum zum Tanzen bringen. Die Jazzrausch Bigband überträgt dieses Prinzip auf ihre Musik, wobei die Mischung aus Jazz und Elektronik sehr facettenreich in den 13 Nummern ist. Trotz der energiegeladenen Struktur bleibt der Band dabei viel Raum für Virtuosität und Raffinesse. Die Soli sind präzise gesetzt und fügen sich nahtlos in den dichten Klangteppich ein. Ein vielschichtiger Sound für ein vielschichtiges Publikum, eine Band, die immer wieder nach Selbsterneuerung strebt, um immer wieder zu überraschen. Und das gleich mit dem ersten Stück der Veröffentlichung: „J’arrive“. Damit kommen sie erstmal an und das gleich gewaltig. Interessante Klänge der Posaune, gespielt von Roman Sladek, der auch für Regie und Produktion der Aufnahme als Kopf der Bigband steht. „Der Dorfdadaist“ mit seinen Spoken-Word-Texten orientiert sich durchaus an Kraftwerk. Dadaisten lehnten die bürgerliche Kultur ab und suchten stattdessen in der Kunst nach neuen Ausdrucksformen – da ist die Bigband mit ihrem Genre-Mix ja perfekt drin. „I Want To Hold On“ rast davon wie ein Kolibri-Herz auf Speed – wieder mit Sprechgesang. Bei „Moebius Strip“, dem Symbol für die Unendlichkeit, bezieht sich der Text darauf, dass der Verstand ein seltsamer Streifen sei, nicht orientierbar und seine Grenze sind endlos. Hier klingt es zwischendurch nach einer E-Gitarre.
Wieder sehr tanzbar das „Spectrum Of A Star“, die zweite Single-Auskopplung aus dem neuen Album. Als Sternspektrum wird das Spektrum eines punktförmig erscheinenden Gestirns bezeichnet – sehr facettenreich. Passt auch wieder zum Album. Und mit dem starken Gesang geht es in Richtung Neo-Soul. „I Want To Be A Banana“ stammt aus dem Album „Dancing Wittgenstein“ aus 2018 in neuem Arrangement. Sogar einer Lounge-Jazz-Nummer findet sich auf „Bangers Only!“ mit „La Fée Verte“ mit brillantem Trompeten-Solo. Mit gewohnten Grooves in Richtung Tanzfläche startet dann wieder „Reflection“. „Wenn Du das eine Party nennst, hast Du keine Ahnung“, so im Text zu „Cauchy Sequence“, die in der Mathematik eine Folge, bei der der Abstand der Folgenglieder im Verlauf der Folge beliebig klein wird. Mit ähnlicher Schlagzahl geht es weiter bei „Do You Feel Like…?“, hier ein brillantes Saxophon-Solo. Auch „Organic Onions“ wieder mit viel Tanz-Groove, hat aber im Mittelteil einen Break, wo nur Saxophon und ein wenig Percussion zu hören ist, bevor es wieder dynamisch weitergeht. Das „Who’s Your Daddy“ ist fast ganz ohne Gesang und sehr treibend. Dreizehn „Banger“, also Hits, die auf keinem Konzert und in keiner Playlist fehlen dürfen. Alles im Song-Format um drei bis vier Minuten, immer auf den Punkt. Und das letzte Stück bringt es noch mal auf den Punkt mit dem Bläser-Gewitter von „Punkt und Fläche zur Linie“.
Haus-Ensemble des neu eröffneten BERGSON-Kunstkraftwerkes
„Bangers Only!“ ist Jazzrausch-typisch mit grandiosem Bläsersound, dazu gesprochene und gesungene Einlagen von Patricia Römer und Sarah Mettenleiter. Auf der Aufnahme sind außerdem zu hören: Roman Sladek (Bandleader und Posaune), Moritz Renner und Thorben Schütt (Posaune), Bettina Maier und Frederik Mademann (Alt- und Sopran-Saxophone), Moritz Stahl (Tenor- und Sopran-Saxophon), Tom Förster (Tenor-Saxophon), Florian Leuscher (Bariton-Saxophon und Bass-Klarinette), Jutta Keeß (Tuba und Bass-Posaune), Angela Avetisyan, Julius Braun, Julian Hesse und Michael Salvermoser (Trompete), Marco Dufner und Valentin Renner (Drums), Georg Stirnweiß (Bass und Synthesizer), Heinrich Wulff (Gitarre), Maxim Burtsev (Keyboard) und natürlich Arrangeur, Komponist und Keyboarder Leonhard Kuhn (auf dem vierten Foto in der ersten Reihe). Im Inlay ein Foto der Jazzrausch Bigband, aufgenommen von Sebastian Reiter. Das Cover-Art stammt von Lena Maidl (sturmtiefdesign). Die Stücke stammen alle von Leonhard Kuhn – beim ersten Stück „J’arrive“ wirkte Stefanie Raschke mit.
Perfektes Live Erlebnis auf der Release-Tour
Derzeit ist die Bigband auf Release-Tour ihrer neusten Musik-Ausgabe „Bangers Only!“ unterwegs und live haben die Nummern noch eine besondere Wirkung, denn die Musikerinnen und Musiker haben sichtlich Spaß an dem, was sie da präsentieren. Und das bei jedem Konzert. So auch Ende September in Duisburg im Theater am Marientor – siehe Fotos. Es ist einfach ein besonderes Happening. Das ist dann für den Konzertbesucher jeweils ein einmaliges Erlebnis. Aber die CD kann rauf und runter gehört werden und verliert nicht an dem Drang es wieder und wieder zu hören. Das ist zwar eigentlich persönliches Empfingen, aber ein „Live mögen die Nummern sicher ihre Wirkung erzielen und Konzerte zum Happening machen. Die Studioaufnahmen aber kommen mitunter etwas steril daher“ (Jazzthing), mag vielleicht vermutet werden, wenn nur die CD gehört wird. Dem ist absolut nicht so. Live ist die Jazzrausch Bigband natürlich ein besonderes Erlebnis durch die Dynamik der ständigen Wechsel und die Bühnenshow mit Licht und Pyrotechnik, aber eine CD bzw. Aufnahme, die in Endlos-Schleife gehört werden kann, weil sie tatsächlich nur „Bangers only“ bringt, kommt mitnichten steril daher. Zehn Jahre Jazzrausch Bigband – und da ist immer noch viel viel Neues zu erwarten. Knapp 1.000 Shows in 15 Ländern hat das aktuell aus 35 jungen Musiker:innen bestehende Jazzrausch-Kollektiv seit seiner Gründung gespielt. Dazu kommen, „Bangers Only!“ eingeschlossen, 12 Alben, neun davon auf ACT. Und seit Anfang 2024 hat die Band ein festes Zuhause: Das imposante, neu eröffnete BERGSON Kunstkraftwerk im Münchner Westen. Termine der Release-Konzerte unter: https://jazzrauschbigband.de/
Jazzrausch Bigband „Bangers Only!“
Label: ACT 2014-2024
Erscheinungstermin: 30.08.2024