Jazz zum Träumen und Genießen
Christoph Gieses Schnelldurchlauf Vol 27
TEXT: Christoph Giese |
Gelegenheit zum Genießen, Entspannen, Wegträumen bieten viele neue Jazz-CDs aus aller Welt, die uns Christoph Giese hier vorstellt...
Lucas Santtana: O Paraíso (Nø Førmat!)
Seidenweicher Gesang und zartes Gitarrenspiel in einem Umfeld zwischen brasilianischen Klängen, Jazz und Electronica, das ist Lucas Santtana. Der Brasilianer aus Salvador de Bahia beleuchtet zusammen mit weiteren Musikern auf O Paraíso das Paradies Erde mit all seiner Schönheit und seinen Problemen, mit seinen Warnungen, die der Mensch endlich auch ernst nehmen muss. Dass er dabei tiefgründige Botschaften klanglich in luftige Leichtigkeit verpackt, ist sein Markenzeichen auch hier.
Ian Lasserre: Meu Único Medo É Primavera (ajabu!)
Auch Santtanas Landsmann Ian Lasserre stammt aus Bahia, ist Sänger und Songschreiber, spielt Gitarre und singt mit einer sehr wohltuenden, sanften Stimme. Zwischen zeitgenössischem Jazz und der MPB (Música Popular Brasileira) schreibt Lasserre ebenfalls luftig-leichte, wunderschöne Songs mit textlichem Tiefgang. Durch einige Gastmusiker an Piano, Bass, Schlagwerk oder Flügelhorn bekommen diese Songs viele Klangfarben.
Luigi Viva & Luigi Masciari: Viva De André (Millesuoni)
Viva De André ist dem1999 gestorbenen, italienischen Liedermacher Fabrizio De André gewidmet. Dieses Album ist die Geschichte des gleichnamigen Konzertes, das auf wichtigen italienischen Jazzfestivals zu hören war. Fabrizio De André hatte ein große Leidenschaft für den Jazz. An allen zehn Kompositionen dieser Einspielung hat er zumindest mitgeschrieben, wenn er sie nicht sogar alleine komponiert hat. Herausgekommen ist eine sehr schöne und gefühlvolle, durchaus italienisch gefärbte Jazzplatte, gespielt von bis zu acht Musikern unter der Leitung von Gitarrist Luigi Masciari, und Autor Luigi Viva.
Die Drahtzieher: Out Of Silence (ohne Label, Vertrieb: die-drahtzieher.com)
Feinsten Gypsy-Jazz gibt es von dem Trio Die Drahtzieher auf ihrem zweiten Album Out Of Silence zu hören. Sämtliche Stücke stammen wieder vom Gitarristen David Klüttig, der mit dem zweiten Gitarristen Bobby Guttenberger und dem Kontrabassisten Kolja Legde kongeniale Partner an seiner Seite weiß. Dazu kommen noch gelegentliche Gäste an Akkordeon, Saxofon oder Streichern. Und fertig ist ein beruhigendes, aber doch auch beschwingendes und elegant swingendes Album.
Frederik Köster / Die Verwandlung: Stufen (Traumton)
Zehn Jahre schon gibt es die Band Die Verwandlung von Frederik Köster. Die Stücke auf dem neuen Album Stufen hat der Trompeter während des ersten Corona-Lockdowns geschrieben, als er oft in der Natur und im Wald unterwegs war. Pianist Sebastian Sternal , Bassist Joscha Oetz und Schlagzeuger Jonas Burgwinkel zeigen sich zusammen mit Köster bei den zwei live im Kölner Loft aufgezeichneten sieben Stücken einmal mehr als kreative Musiker, die sich stilistisch aus ganz unterschiedlichen musikalischen Quellen inspirieren lassen, daraus aber ihren ganz eigenen, jederzeit spannenden modernen Jazz stricken.
Phil Ranelin & Wendell Harrison - Adrian Younge & Ali Shaheed Muhammad: Jazz Is Dead 16 (Jazz Is Dead)
Mit dem Posaunisten Phil Ranelin und dem Saxofonisten und Klarinettisten Wendell Harrison haben sich die beiden Musiker und Produzenten Adrian Younge und Ali Shaheed Muhammad gleich zwei Gäste mit langer Musikgeschichte für die bereits 16. Ausgabe ihrer Album-Reihe Jazz Is Dead eingeladen und gemeinsam mit ihnen hippe, zeitlose Jazzmusik geschrieben und zusammen mit Drummer Greg Paul aufgenommen. Wie immer bei dieser Reihe hört man groovende Musik mit echtem Vintage-Faktor in Sachen Sound.
Claus Raible Trio: Fugitive Figures (Alessa)
Seine Vorbilder hört man schon heraus. Ein Thelonious Monk etwa. Oder ein Bud Powell. Sich von Idolen zu lösen und sich dabei seine eigene Stimme zu schleifen, das ist dem in Karlsruhe geborenen Pianisten Claus Raible vorzüglich gelungen. Erstmals stellt er auf Fugitive Figures ausschließlich eigene Kompositionen auf einem Album vor. Es sind Bebop-Stücke, mit Ausflügen in den Hardbop, die wunderbar geschmeidig swingen, harmonisch findungsreich sind und im Verbund mit seinen kongenialen Triopartnern Giorgos Antoniou am Bass und Xaver Hellmeier am Schlagzeug allesamt herrlich funkeln
August Canino: All In (uniSono)
Leicht funkigen Smooth Jazz serviert der Frankfurter Gitarrist August Canino auf seinem Album All Inn, das mit einer Länge von nur 24 Minuten eher den Status einer EP aufweist. Nun gut, lässt sich eben nur kurz relaxen beim Hören der sechs alle von Canino komponierten Stücke. Mit einer ganzen Riege internationaler Musiker eingespielt, gefeatured wird besonders US-Saxofonist Chase Baird, bietet All Inn leichtverdauliche, nette Unterhaltung. Nicht mehr und nicht weniger.
Mikkel Ploug Group feat. Mark Turner: Nocturnes (Stunt)
Noch ein Gitarrist, der auf das Saxofon als weitere prägende Klangfarbe seiner Band setzt. Der dänische Saitenvirtuose Mikkel Ploug und US-Saxer Mark Turner spielen schon mehr als anderthalb Dekaden zusammen. Auf dem neuen gemeinsamen Album, eingespielt wieder zusammen mir dem dänischen Bassisten Jeppe Skovbakke und dem irischen Drummer Sean Carpio, gibt es neben neuen Komposition des Bandleaders auch Material der beiden dänischen Klassik-Komponisten Bent Sørensen und Carl Nielsen zu hören. Nocturnes sei ein Album der Nacht und für die Nacht, wie es Mikkel Ploug selbst beschreibt. Es ist auf jeden Fall ein beruhigendes, entspanntes, atmosphärisches, wunderschönes, zeitloses Jazzalbum geworden.