Jazz im Bilderbuch
Soundbücher für Kinder
TEXT: Heinz Schlinkert |
Schön bunt sind die Seiten dieser Bilderbuch-Reihe und für die Sound-Effekte können sich Kinder bestimmt schnell begeistern. Der Ullman Verlag hat eine Kinderbuchreihe herausgegeben, in denen es um Musikinstrumente, um klassische Musik, aber auch um Jazz geht. Da sind jede Menge pädagogische Ambitionen im Spiel, ist das Konzept dieser Bücher aber wirklich kindgerecht?
Die Reihe des Ullman Verlags basiert auf ursprünglich in Frankreich produzierten Büchern mit Sound-Effekten. Bei zwei Büchern geht es um Jazz. Die Reihe umfasst inzwischen 17 Bände, vier davon sollen hier exemplarisch vorgestellt werden.
- ‚Soundbücher’
Die Bücher sind relativ klein, fast quadratisch (15,5 x 17 cm), die Seiten bestehen aus dicker Pappe. Alle Bilder sind bunt, glänzend, aber in unterschiedlichen Grundtönen gehalten. Die Texte sind überwiegend in Schreib-, die Überschriften, manchmal in Druckschrift geschrieben.
Ein besonderes Merkmal sind die Soundeffekte, bei denen man jeweils 15 bis 20 Sekunden lang eine Passage eines bekanntes Musikstücks hören kann. Durch den Druck auf den integriertem Soundchip können die Kinder sie selbst auslösen. Das Lesealter dieser ‚Soundbücher‘ ist generell mit „für Kinder ab 12 Monaten“ angegeben.
- Verhältnis von Form / Inhalt / Zielgruppe
Format und Material der Bücher entsprechen dem Kleinkindalter, auch wenn die Dicke der Seite wohl auf der Einbindung des Chips beruht. Die farbliche Gestaltung scheint auf dem Irrtum zu beruhen ‚je bunter, desto besser‘, zumindest hat jede Seite eine unterschiedliche Grundfärbung.
Musikinstrumente sind immer im Rahmen einer Szene, meist mit historischen Bezügen abgebildet. Die Illustrationen sind gut zu erkennen, Kinder und Tiere agieren oft parallel mit Tendenz zur Verniedlichung. Die Seiten enthalten eine Reihe von Impulsen, die im Zusammenhang zur jeweiligen Thematik stehen und Gesprächsanlässe bilden können.
Der überwiegende Gebrauch der Schreibschrift scheint zwar kindgerecht zu sein, ist aber nicht sinnvoll, weil zumindest die deutschen Grundschulkinder heutzutage meistens mittels Druckschrift lesen und schreiben lernen. Der Gebrauch von Schreibschrift ist zudem generell problematisch, weil es mehrere Arten gibt.
Die Angabe des Lesealters mit „ab 12 Monaten“ ist ganz schön mutig, wenn man bedenkt, was ein Kind, das gerade dem Babyalter entsprungen ist, wirklich damit anfangen könnte. Die Altersgrenze ist viel zu tief angesetzt, ein generelles Lesealter anzugeben ist allerdings ohnehin kaum möglich, weil die Bücher in unterschiedlichen Aspekten auf verschiedene Altersstufen abzielen. Während Form und Material für Kleinkinder geeignet sind, passen die Illustrationen eher für Kindergartenkinder. Die Inhalte wiederum sind in den meisten Fällen erst im Grundschulalter relevant.
Bei allen Büchern sind allerdings die Audiosequenzen viel zu kurz. Nach dem Hören ist dann der Reiz groß, direkt die nächste Seite aufzuschlagen. Die Inhalte davor sind dann plötzlich nicht mehr wichtig, obwohl man dort noch einiges hätte ansprechen können. Natürlich kann man die Musik auch mehrmals hören, doch die kindliche Neugier drängt oft zum Weiterblättern.
- 4 Soundbücher
Sind die Inhalte kindgerecht umgesetzt, welcher Altersgruppe entsprechen sie? Dies soll am Beispiel von 4 Büchern konkret gezeigt werden.
‚So klingen Musikinstrumente – Klassik für Kinder‘
Auf jeder Doppelseite findet sich eine Szene, in der ein Instrument im Vordergrund steht, das wiederum einem Musikstil zugeordnet ist, z.B. das Klavier (s. Foto unten) zu Bach. Text und Bild fordern die Kinder zum Tanzen auf. Insgesamt machen die Darstellungen einen recht guten Eindruck, bis man auf die Seite vom alten Ägypten gelangt: „Zu Trompetenklängen reihen sich die kleinen Soldaten vor dem König auf. Tätärätätä!“ - s. S.3. Foto rechts. Kindersoldaten im Bilderbuch? Das ist auch in der Retro-Perspektive ein Unding! Für die Trompete gibt es andere Szenarien als Verdis Aida mit dem Pharao.
‚So klingt die Geschichte der Musik – Klassik für Kinder‘
Das ist ein hoher Anspruch, denn hier geht es um historische Epochen und deren Musik. Kinder und Tiere im Buch agieren in einer Gruppe und sind jeweils zeitbezogen gekleidet. Meist steht ein Instrument im Vordergrund, das die Epoche repräsentiert. Zur Musik der Renaisssance z. B. „schreitet der französische König Franz I. an seinen Untertanen vorüber. Kannst du dich auch verbeugen?“ Schon wieder Untertanen. Die detaillierten Informationen (z. B. „16. Jahrhundert, Pierre Atteignnant, Gaillarde, 1529“) mögen für die Eltern interessant sein, sind aber selbst für Grundschulkinder belanglos. Bei solchen historischen Zeiträumen sollte man vorher mal überlegen, welche Zeitvorstellungen Kinder haben. Dinosaurier, Ritter und Indianer, das ist auch für Grundschulkinder alles ‚früher‘. Epochen sind nur Konstruktionen der Erwachsenen, die die Vorstellung einer Zeitachse voraussetzen, die jüngere Kinder gar nicht nachvollziehen können.
‚So klingt Weihnachten mit Jazz‘
schafft eine fröhlich-amerikanische Weihnachtsstimmung, zu der einige englischsprachige Weihnachtslieder vorgestellt werden. Jingle bells werden die Kinder kennen, doch auch die anderen vermitteln ein positives Weihnachtsbild, vielleicht auch als Kontrast zu seiner eher besinnlichen Form in Deutschland. Dieses Buch ist kindgerecht, weil es einfach nur um Musik und Lebensfreude geht.
‚So klingt die Geschichte des Jazz’
Da es um Geschichte und Stile geht, ist dieses Buch ähnlich angelegt wie das zur Geschichte der Musik. Die Auswahl der Stücke (Go Down Moses, The Entertainer, Tiger Rag, Charleston, Josua fit the battle..) könnte Kinder gut ansprechen, weil sie relativ einfach sind und unmittelbar motivieren (s. Foto oben zum 'Entertainer'). Ob Angaben zum Komponisten sinnvoll sind, mag man bezweifeln. doch insgesamt ist dieses Buch nicht mit 'historischem Ballast' überfrachtet und kann wirklich empfohlen werden.
- 'Interaktivität' im Bilderbuch
Auch wenn die Bücher im Verhältnis von Form /Inhalt / Zielgruppe nicht rechtstimmig sind, so haben sie doch einen Vorteil. Sie sind nicht nur auf Betrachten, Zuhören und Austausch angelegt wie gängige Bilderbücher, sondern haben auch das Kind als Akteur im Blick. Da ist zunächst die Auslösung der Soundeffekte über den ‚Knopf‘, den man erstmal suchen muss, weil er recht geschickt in den Bildern versteckt ist. Da sind aber auch aktivierende Aufforderungen im Text, es geht darum zu tanzen, mitzusingen, den Rhythmus mitzuklatschen, zu lauschen und – fürs Klavierspielen – die Finger zu spreizen. Insofern kann man in gewissem Sinne von Interaktivität sprechen.
- andere Medien
Jazz und Kinder – das ist ein spannendes, aber auch nicht immer einfaches Thema, um das sich auch andere schon gekümmert haben. Volker Rosin hat schon 2015 mit seinem Album ‚Der blaue Hund will tanzen‘ recht erfolgreich versucht, Kindern Jazz näherzubringen, indem er bekannte Jazzstücke neu arrangierte und mit kindgemäßen Texten versah (s. Rezension).
Schwieriger wirds schon mit Bilderbüchern. Oliver Steger und Catherine Ionescu haben ein Jahr später mit den Jazz Geistern ein interessantes Bilderbuch geschaffen, in dem die kindlichen Protagonisten in den Räumen eines Hauses unterschiedlichen Jazz-Epochen mit den entsprechenden Musikern und Stilen begegnen (s. Rezension). Der Sauerländer Verlag hat 2021 ein schönes Soundbuch, 'Mein kleines Musikbuch – Das Orchester' von Charlotte Roederer, veröffentlicht. Hier stehen wichtige Instrumente des klassischen Symphonieorchesters im Vordergrund, ebenfalls mit Soundeffekten zu einzelnen Instrumenten in bekannten klassischen Stücken und mit kleinen Aufgaben für die Kinder.
Auf jeden Fall eine gute Sache, dass Musik, und gerade auch Jazz, in dieser Form in die Kindermedien Einzug gehalten hat!