Jazz District
Eine neue Jazz-Compilation
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker |
Was hat Bochum, was haben Bochumer mit einer neuen Jazz-Compilation von Sony und dem KulturSPIEGEL zu tun? Ganz einfach: Die Bochumer Marketing-Agentur von Oliver Bartkowski wurde vom Sony-Manager Brook Demissie angesprochen und mit der Promotion der neu herausgegebenen Box mit 10 Doppel-CDs zum Jazz und (Teilen) seiner Geschichte beauftragt. Die Marketing-Erfahrungen von Oliver Bartkowski, v.a. seine Affinität zum Jazz dürften für diesen Auftrag ausschlaggebend gewesen sein: Er organisiert seit Jahren Jazz in Herne und Bochum, das 1. Herner Jazzfestival geht auf sein Konto, sein Label ‚wunderbar records’ veröffentlicht selber einschlägige Musik. Und nun wird deutschlandweit die neue Jazz-Box von Bochum aus vermarktet.
KulturSPIEGEL kümmert sich um Jazz, in Besprechungen, in Ankündigungen, in CD-Vorstellungen - und eben auch in Kompilationen in Zusammenarbeit mit großen Musikverlagen, die über die entsprechenden Archive verfügen und ein entsprechendes Verwertungsinteresse ihres „Kapitals“ haben. Zusammen mit Sony Music ist jetzt mit JAZZ DISTRICT ein Backstein von 10-Doppel-CDs herausgegeben mit dem Anspruch, „die wichtigsten Stile und Spielarten des Jazz“ vorzustellen und „die bedeutendsten und besten Aufnahmen der größten Jazz-Interpreten“ zu präsentieren.
Fernab von solcher „Best of“-Rhetorik ist in der Tat das Sony-Archiv äußerst ergiebig, will man die Geschichte und Entwicklung des Jazz zumindest in seinen wesentlichen Strömungen und seinen namhaften Vertretern darstellen. Der Bogen wird gespannt vom Swing über Bebop, Cool, Hard Bop bis zum „neueren“ Jazz, den zu kategorisieren schon ein wenig schwieriger ist. Sony und der KulturSPIEGEL haben sich entschieden für: Latin, Brazil, Fusion, Acid und Smooth Jazz – ein eher hilfloses Unterfangen, die Vielfalt der Erscheinungsformen unter einem Label zusammenzufassen. Besonders verwundert in diesem Zusammenhang die Doppel-CD ‚Best of CTI’. Hinter diesem Rubrum verbirgt sich ein kleiner Ausschnitt aus dem Bestand von CTI Records, einem Independent Label, das 1967 von Creed Taylor gegründet wurde und mit Eumir Deodato, Stanley Turrentine, Eric Gale, Billy Cobham, Arto Moreira u.v.a. durchaus einen wichtigen Beitrag zur Jazz-Geschichte leistete. Aber von einem „eigenen Jazz-Stil“ zu sprechen, ist in der Tat gewagt und zweifelhaft. Wie überhaupt jegliche „Best of“-Compilation sich dem Verdacht aussetzt, dass Archiv-Schätze re-kapitalisiert werden oder dass hinter dem Etikett einer globalen Sammlung („The world of jazz music“) ein repräsentativer oder wie auch immer verbindlicher Kanon verbreitet würde. Warum dieser Künstler oder dieses Stück in die Reihe aufgenommen wird, jener bzw. jenes nicht – darüber lässt sich trefflich streiten. Man darf getrost unterstellen, dass eine solche Auswahl Zufälligkeiten geschuldet ist: Was z.B. gibt das jeweilige Archiv her, was besagt das Marktkalkül zu dem Bekanntheitsgrad eines Künstlers oder eines Titels, was passt an Klangmaterial in den Vermarktungsrahmen? Gleichwohl – und das dürfte auch das Profil vom KulturSPIEGEL ausmachen – hat man mit der Box die Möglichkeit, sich in einem ersten Kontakt mit Jazz und seinen verschiedenen Stilen vertraut zu machen, sich zumindest in einen Teil der Jazz-Geschichte einzuhören oder Vertrautes wieder vielleicht in neuen Zusammenhängen zu hören. Wer auf die Gesamt-Box eher verzichten möchte, kann zumindest auch einzelne Doppel-CDs erwerben.
Der jeweilige Einführungstext wird seinem Anspruch nur bedingt gerecht: Es handelt sich in der Tat um eine nur kurze und sehr kursorische Einführung zum präsentierten Jazzstil der jeweiligen Doppel-CD, hier wünschte man sich gerade vom KulturSPIEGEL eine andere Ausführlichkeit, mehr Informationen zum Erscheinungsjahr der jeweiligen Titel und den Umständen ihrer Veröffentlichung, zu den Musikern, zu zeittypischen und biographischen Kontexten.