Janning Trumann 4
Roots & Riots
TEXT: Uwe Bräutigam |
Der Posaunist Janning Trumann , einer der wichtigsten Jazz Musiker der jüngeren Generation, hat mit seinem Quartett Janning Trumann 4 ein neues Album Roots & Riots herausgebracht. Erschienen ist es auf Janning Trumann s eigenem Label Tangible Music.
Das neue Album von Janning Trumann 4 ist ein echtes Pandemie Produkt. Janning Trumann 4 besteht aus profilierten und viel nachgefragten Musikern. Neben Janning Trumann an der Posaune sind Lucas Leidinger am Piano, Florian Herzog am Bass und Thomas Sauerborn am Schlagzeug dabei. Aber im ersten Lockdown brachen alle Konzerte weg und die Terminkalender waren leergefegt. So konnten die vier Musiker wöchentlich im Kölner Loft proben, was in normalen Zeiten unvorstellbar wäre. Sie nahmen sich Zeit darüber zu reflektieren, wie sie klingen möchten. Es wurde viel über Sound geredet und es wurde ausgiebig an den einzelnen Stücken gearbeitet und gefeilt. Der Titel Roots & Riots ist Programm. Die Roots bilden das gemeinsam erarbeitete musikalische Vokabular und die Vorstellung von Klang. Die Riots sind die Ausbrüche aus dem Gewohnten und die elektronischen Verfremdungen.
Mitte der 90er gab es einen regelrechten Akkustik Boom in der Rockmusik. Ausgelöst von MTV und seiner Unplugged Reihe. Eine der ersten Produktionen war Nirvana unplugged, ein unglaublicher Erfolg mit über 10 Millionen verkauften CDs. Im Jazz begann bereits mit dem Tod von Miles Davis und damit dem Ende der elektronischen Phase Anfang der 90er ein Trend weg von der Elektronik zurück zur Akustik. Dieser Trend setzte sich fort. Janning Truman sagte, dass Elektronik während seines Studiums (2014 Konzertexamen) überhaupt nicht eingesetzt wurde. Jazz war akustisch. Nun ändert sich seit ein paar Jahren dieser Trend und in der Kölner Jazzszene, besonders bei der jüngeren Generation, lässt sich vermehrt ein Einsatz von Elektronik beobachten.
Auch Janning Trumann und sein Quartett Janning Trumann 4arbeiten auf ihrem neuen Album zum ersten Mal mit elektronischen Hilfsmitteln. So spielt der Pianist Lucas Leidinger einen analogen Kork MS 20 Synthesizer aus den 70er Jahren. Bassist Florian Herzog , der üblicherweise Kontrabass spielt, setzt bei einigen Stücken einen E-Bass ein. Aber vor allem Janning Truman nutzt elektronische Verfremdungen, wie Verzerrung, Hall, schwebende Töne, Drons und einiges mehr. Am meisten wird die Musik geprägt von der Methode des Shifting, also der Überlagerung von Klängen. Mehrere Klänge werden übereinander geschichtet und so entstehen neue Klangfarben, die einen ganz besonderen Sound kreieren. „Wir haben uns vorgenommen, das Material ein wenig zu reduzieren“, erinnert sich Janning Trumann „Das komponierte Material ist weniger geworden, dafür erhöht sich von Stück zu Stück der Unterschied der Farben und Strukturen. Ich lasse uns die größtmöglichen Freiheiten, um jeweils ausdrücken zu können, was uns wichtig ist.“
Sehr deutlich wird bei dem Stück Shift, das seinen Titel diesen Überlagerungsmethoden zu verdanken hat. Ein Stück, das Janning Trumann , wie er ausführte, in 15 Minuten geschrieben hat. Ein überaus kraftvolles Stück, das mit einem fast rockigen Pianospiel von Lucas Leidinger beginnt und in dessen weiteren Verlauf die Überlagerungen sehr deutlich sind. Der Synthesizer im Schlussteil erinnert manchmal an die Tastenabenteuer von Keith Emerson. An anderen Stellen wird mit langen schwebenden Tönen, die moduliert werden, gearbeitet. So haben manche Passagen fast hymnischen oder sakralen Charakter von großer Eindringlichkeit. Dies sticht besonders in den Stücken Fran, Seasons – Buoyantly und Megalomania heraus, kommt aber durchaus auch in anderen Stücken vor. Als Vergleich kommen mir Pioniere der elektronischen Musik wie Tangerin Dream in den Sinn. Aber das sind nur Assoziationen zu bestimmten Passagen. Denn bei allem Einsatz von Elektronik, ist das Album Roots & Riots, durch das Miteinander von akustischer und elektronischer Musik gekennzeichnet. Die Elektronik verändert und erweitert das Klangspektrum der akustischen Instrumente. Die einzelnen Stücke sind dabei sehr abwechslungsreich in der musikalischen Ausgestaltung, trotz eines durchaus wiedererkennbaren Sounds. Und um diesen Sound geht es Janning Trumann und seinem Quartett bei dem Album Roots & Riots. Auch wenn die acht Stücke auf dem Album deutlich unterscheidbare Einzelstücke sind, ist doch der Sound etwas Übergreifendes. Das Album lebt nicht nur von dem Spiel der exzellenten Instrumentalisten, sondern vor allem von der Atmosphäre, die durch breit gefächerte Klangfarben erzeugt wird.
Janning Trumann 4 - Roots & Riots
Tangible Music TM012 / LC82048 / 0764137108038 /
Vertrieb (CD+Digital): www.tangible-music.net/tangiblemusic.bandcamp.com
Link zum Interview mit Janning Trumann über sein neues Album:
https://www.nrwjazz.net/jazzreports/2022/Radio_Interview_Janning_Trumann_bei_Jazz_and_beyond/