Jan Harbeck Quartet
Balanced
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Stephen Freiheit
Den Namen Habeck hört man im Moment in jeder Nachrichtensendung. Harbeck mit 'r' kaum, doch in der Jazzszene ist Jan Harbeck kein Unbekannter. Das neue Album des dänischen Saxofonisten erscheint im November: BALANCED.
- Jan Harbecks Sound
Jan Harbeck kommt aus Kopenhagen, wo es - spätestens seitdem Ben Webster dort 1965 ‚Live at The Jazzhus Montmartre‘ gespielt hat - eine bedeutende Jazzszene gibt. Jans erstes Album IN THE STILL OF THE NIGHT erschien schon 2008, dann 2011 COPENHAGEN NOCTURNE, 2014 VARIATIONS IN BLUE (mit Walter Smith III) und vor drei Jahren THE SOUND OF THE RHYTHM. Während er anfangs nach dem Motto „Lass-es-alles-raus, hol-es-alles-raus“ spielte, klingt er nun wesentlich verhaltener und melodischer. Vorher hatte er oft Standards interpretiert, für das neue Album hat er alle Stücke selbst komponiert.
Balanced heißt das nach dem ersten Stück benannte neue Album. Wahrscheinlich geht der Name auf Jans Tenor Saxofon zurück, ein Selmer Balanced Action von 1939 (s. Foto) wie es auch Stan Getz gespielt hat.
Auch Jans weicher Sound erinnert an Stan Getz, mehr aber noch an Ben Webster. Nicht zufällig hat Jan 2018 den Ben-Webster-Preis erhalten. Auch er spielt mit viel Luft, wenn er ins Mundstück bläst, doch es ist nicht der für Webster typische 'quäkige' Sound. Der US-Amerikaner Stephen Riley spielt dagegen ganz ähnlich wie Jan, zusammen sind beide auf Snorre Kirks Album Going Up zu hören und man merkt kaum, wer gerade spielt.
BALANCED
Schon beim ersten Hören fällt auf, dass fast alle Stücke Balladen-Charakter haben. Beim ersten achteinhalb minütigen Stück Balanced lässt Jan sich viel Zeit um sein Instrument und sein Quartett vorzustellen, langsam, launig, fast gemächlich wie bei einem Spaziergang, mit einem längeren Piano Solo.
One Fine Day ist das geradezu klassische Beispiel einer Ballade, es erinnert etwas an Stücke wie I'm getting sentimental over you, wurde aber von Jan selbst komponiert. Bei Silver String Valley wird das Thema sehr oft wiederholt, zu oft für meinen Geschmack. Der kubanische Percussionist Eliel Lazo begleitet Jan hier – wie auch bei vier anderen Stücken - auf Congas, aber sehr dezent, Latin ist kein Thema.
Tranquility hätte als Albumtitel eigentlich besser gepasst, es hört sich aber mit seinen Anklängen an Tango schon anders als die anderen Stücke an. Nur The Enchanter und The Drive swingen, klingen fröhlicher und bringen mehr Dynamik ins Spiel.
Mit To Be Continued endet das Album, das kann ja nur bedeuten, dass es bald weitergeht. Doch dazu würde ich mir wünschen, dass die anderen Bandmitglieder mehr zum Zuge kommen. Jan dominiert gnadenlos mit seinem Horn, nur der Pianist Henrik Gunde kommt manchmal mit einem melodischen Solo zur Geltung. Bassist Eske Nørrelykke und Drummer Anders Holm bleiben auf die Sideman-Funktion beschränkt.
- BALANCED ??
Jedes einzelne der 9 Stücke spricht für sich und beweist die hohe Virtuosität von Jan Harbeck. Voller warmer Sound, ruhige Stimmung, entschleunigte Rhythmik, das mag ja einen trüben Novemberabend aufwerten. Doch so richtig 'balanced' ist die Mischung der CD-Titel nicht. Ruhe und Gelassenheit vermitteln sich als Kontrast zu Aktivität und Anspannung, sonst könnte leicht Langeweile aufkommen. Und so wünscht man sich manchnmal vielleicht den 'alten' Jan Harbeck herbei, der z. B. mit Johnny come lately auf seinem Album SOUND OF THE RHYTHM viel lebendiger agierte.
Jans Homepage hat einiges zubieten: man kann dort Noten von einigen seiner Stücke herunterladen
Jan Harbeck Quartet – Balanced
Stunt Records / STUCD 22102 / 663993221021
Vertrieb: Inakustik / The Orchard
VÖ: 25.11.2022
großes Foto oben von https://www.janharbeck.com/