Jakob Dreyer
Roots and Things
TEXT: Heinz Schlinkert |
Mit sechs Kompositionen und einem Jazz-Standard schafft der Kontrabassist Jakob Dreyer auf seinem neuen Album "Roots and Things" eine faszinierende Balance zwischen konzentrierten Momentaufnahmen und ausgedehnten musikalischen Erzählungen. Die kurzen Interludien fungieren als emotionale Atempausen, während das Vibraphon von Sasha Berliner dem Ganzen eine unverwechselbare klangliche Signatur verleiht – mal perkussiv treibend, mal atmosphärisch schwebend. Besonders mutig: Dreyers Neuinterpretation des Rogers-Klassikers "With a Song in My Heart" im 5/4-Takt, die mit der schmalzigen Vergangenheit des Musicalstücks radikal bricht. Vorab wurden inzwischen 2 Stücke veröffentlicht: ‚Downtime‘ und ‚Fight for Flight‘.
6 Stücke umfasst das Album, die längeren Stücke hat Dreyer bis auf eins selbst komponiert. Einige davon wie ‚Bodega‘, ‚MTA‘ und ‚June Tune‘ sind recht kurz, gerade mal eine halbe Minute lang . Sie sollen einen Übergang zwischen den längeren Stücken schaffen, indem sie die Emotionen vom vorherigen Stück abklingen lassen und mehr Offenheit fürs nächste Stück schaffen. Bei CDs von Calexico hat es schon einmal Ähnliches gegeben.
Die Band ist eine andere als bei den ersten Alben, diesmal sind Tivon Pennicott am Tenor Sax, Sasha Berliner am Vibraphon und Kenn Salters an den Drums dabei. Sasha Berliner gibt diesem Album mit seinem Vibraphon eine besondere Note. Oft setzt er sein Instrument sehr rhythmisch ein, z. B. beim ersten Stück ‚The Fifth Floor‘, manchmal entfaltet er mehr die klanglichen Qualitäten wie bei ‚Downtime‘.
‚The Fifth Floor‘ und ‚Room 1102‘ orientieren sich am Stil barocker Preludien; man die Arpeggien gut heraushören.
‚With a song in my heart‘ stammt nicht von Dreyer, sondern von Richard Rogers, der dieses Stück 1929 für das Musical ‚Spring Is Here‘ geschrieben hat. Es war auch der Titelsong für den gleichnamigen Film von 1952, gesungen damals recht schmalzig von Jane Fromen, später besser von Doris Day, Ella Fitzgerald u.a. Die Instrumentalversion von Dreyer, der das Stück im 5/4 Takt spielt, klingt natürlich ganz anders. Das sonore Sax von Tivon Pennicott stellt das Thema vor, klangvoll begleitet vom Vibraphon,ein lässiges Bass Solo von Jakob Dreyer, vor allem aber treibt Kenn Salters mit seinen Drums das Stück stetig voran.
Jakob Dreyer ist in der Nähe von Hamburg groß geworden, hat zuerst Klavier gelernt, wechselte später zum Kontrabass. Seit gut 10 Jahren lebt er als in den USA als Jazz-Bassist und Komponist, ist aber auch oft in Deutschland unterwegs.
Auf dem neuen Album ist er mit seinem Kontrabass allgegenwärtig, es gibt einige Soli, doch er drängt sich, obwohl er Bandleader ist, nicht in den Vordergrund. Im Begleittext des Covers schreibt er über seine Musik im besten konstruktivistischen Sinne :
„I believe the meaning is mostly created by the listener, you. So if you think you know what this is all about, please let me know!“
This review is an answer.
Nach den bisherigen Alben ‚Songs, Hymns and Ballads Volume 1und 2‘ hat Jakob Dreyer seine Musik weiter entwickelt. Das neue Album ist, vor allem wegen der kurzen Intermezzi, viel lebendiger und abwechslungsreicher. Zudem hat die Musik des jungen Komponisten und Bassisten mit den Klangfarben des Vibraphons weiter an Anziehungskraft gewonnen.
Jakob Dreyer Roots and Things
New York Nov. 2025




