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Isabelle Duthoit und Georg Graewe

PARLANCE

Bochum, 18.01.2017
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Als Pianist ist er als komponierender Improvisator bekannt, als Komponist – etwa für seine Musik zu dem Film Schlagende Wetter – auch in der Rolle des auf Improvisation setzenden Musikers: Die Rede ist vom Bochumer Georg Graewe mit jetzigem Lebensmittelpunkt in Wien und gelegentlichen Auftritten in Nordrhein-Westfalen. Der 2015 mit dem SWR-Jazzpreis ausgezeichnete Musiker hat unlängst gemeinsam mit der französischen Klarinettistin und Sängerin Isabelle Duthoit die CD Parlance veröffentlicht. Die beiden in der europäischen Improvisationsszene bestens vernetzten Musiker nahmen 2006 beim Nickelsdorff-Festival in Österreich zum ersten Mal Kontakt auf, 2010 bat Rainer Michalke Georg Graewe, eine Serie von Konzerten in und um Bochum zu kuratieren und selbst zu bestreiten. Parlance dokumentiert ein Konzert in Bochum im November 2010, das Isabelle Duthoit und Georg Graewe nach eher informellem gemeinsamen Musizieren aufnahmen und das jetzt bei nuscope recordings erschienen ist.

Die „Redeweise“ des Duos ist in der Tat eine ausgesprochen interessante Kommunikation von Piano und Klarinette. In manchen Titeln der CD (doubt and assertion I – IV, dog and duck) wird bereits eine Dualität angedeutet, die sich in einem gewissen Nebeneinander der Stimmen wiederfindet. Die Spannung in den Tracks besteht darin, aus dem scheinbaren Parlieren von schnellen Pianoläufen in ihrem ständigen Variationsmodus und dem kräftigen Klarinettenton Phasen und zum Teil nur Phrasen entwickeln zu lassen, die in der Tonfolge, im Tempo und in der Harmonik eine Konvergenz beider Stimmen erkennen lassen. Die Spontankompositionen entziehen sich den Kategorien von Solo- und Begleitspiel, sie sind freie Assoziationen im Wortsinn von gleichberechtigten Partnern: hier der virtuose Pianist mit perlenden Läufen und mal kräftigen, mal subtilen Akkord- und Clustersprüngen auf der Tastatur, dort die klassisch ausgebildete Klarinettistin mit dem vollen Einsatz verschiedener Blastechniken, von Trillern, Flattertönen, Exklamationen auf gleicher Tonhöhe oder auch der eigenen Stimme. Doubt and assertion II beginnt mit kurzen Sprüngen auf der Tastatur, langgezogene Töne auf der Klarinette setzen ein und deuten liedhafte Elemente an, das Piano vollzieht eher suchende Bewegungen. Eine sehr abstrakte Assoziation entwickelt sich, bis die Klarinette ein auf- und absteigendes Thema präpariert, das Georg Graewe übernimmt, bevor es sich in schnellem Tempo auflöst und abrupt endet. Das kurze slow in a sleeping wind beginnt mit möwenähnlichen Tönen und verbleibt sehr ruhig, nur Anblasgeräusche sind zu vernehmen. Doubt and assertion III arbeitet mit sehr hohen Tönen auf der Klarinette bis zur Schmerzgrenze, dazu sind erratische Blöcke auf dem Piano zu hören, eine mystisch ruhige Phase nimmt am Ende Dynamik auf. Der Titel dog and duck beschreibt bereits treffend den Klangraum und das Tempo eines musikalischen Wechselspiels, bestehend aus einem rhythmisch variierten Dauerton auf der Klarinette und einem rhapsodierend-phantasierenden Piano. Auf das sehr ruhige nebelhaft-dunkle transparence I folgt das kurze subsequence I mit einem keck-frechen Auftakt des Pianos und zischenden Stimmgeräuschen zu scheinbar nicht enden wollenden Läufen des Pianos. Doubt and assertion IV erzeugt einen betörenden Schwebezustand, die Klavierakkorde und die klare fordernde Stimme der Klarinette füllen den assoziativen Rahmen, der in der Titelgebung angelegt ist.

Die 16 Titel von Parlance zeigen ein durchweg luzides Improvisieren von zwei raffiniert interagierenden Musikern, deren assoziativer und konzentrierter Dialog ein eben solches Hören verlangt und damit ein ästhetisches Vergnügen bereitet.

Isabelle Duthoit, Georg Graewe: Parlance. Nuscope recordings

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