Honey Bizarre
Little Deep Miss Strange
TEXT: Stefan Pieper |
Gilda Razani und Hanzō Wannink bilden seit langer Zeit ein eingeschworenes Duo, das tief in seiner Materie verwurzelt ist. Diese Kontinuität bleibt auch bestehen, seit sie in Duobesetzung unter dem Namen Honey Bizarre auftreten - eine Bezeichnung, die nach eigenem Bekunden besser zur Programmatik ihres aktuellen Albums Little Deep Miss Strange passt. Der Titel fungiert als Metapher für die reiche Palette an musikalischen Geschmacksrichtungen, die auf dem neuen Album mit reicher Fantasie ausgekostet werden.
Ursprünglich sind Gilda Razani und Hanzō Wannink Saxophonistin und Pianist. Doch dann wuchs ihre Faszination, akustische mit elektronischer Klangschöpfung zu verbinden. Razani entdeckte das wundersame Theremin für sich - eines der ersten elektroakustischen Musikinstrumente der Welt. In den letzten Jahren kam noch die futuristisch anmutende Soma Pipe hinzu, eine Art Blaswandler, der für die studierte Saxophonistin besonders passend ist. Wannink bedient derweil so ziemlich alles, was Tasten hat.
Das neue Album "Little Deep Miss Strange" bekräftigt einmal mehr das Markenzeichen dieses Duos. In allen Stücken lebt eine starke Affinität zu den Pioniertaten der elektronischen Musik, wie sie vor allem seit den 1970ern in die Rockmusik einflossen und in Zeiten von Goa und Trance eine Neubelebung erfuhren. „Honey Bizarre“ schöpfen aber aus dem Heute, was, zusätzlich genährt vom Freigeist des improvisierten Jazz, einer zeitlosen und vor allem sehr persönlichen Ausstrahlung gut tut. Die neuen Stücke zeichnen sich durch einen stimmig dosierten Wechsel zwischen beatlastigen Stücken und meditativen Schwebe-Nummern aus. Die Klangfarben sind – wie sollte es anders sein – in dicken, leuchtenden Schichten aufgetragen. Razani spielt das Theremin auf eine Weise, die vor allem bei Gitarristen gebräuchlich ist: mit verschiedenen Verzerrern. Dadurch entstehen erstaunliche, ja psychedelische Höhenflüge. Zudem sind pulsierende, rhythmische Sequenzen ein wesentliches Merkmal, die von analogen Synthesizern erzeugt werden. Manchmal, wie im Stück "Laylas Life" entfalten sich lyrisch kantable elektronische Bläsersounds zum Tongewoge des Arpeggiators.
Cineatische Imagionationsmusik
Aber das ganze ist viel mehr als reiner Selbstzweck, denn es entsteht eine cineastische Imaginationsmusik daraus - vor allem, weil lyrische, meist einem empfindsamen Minimalismus folgende Klavierfiguren das tonale Zentrum der meisten Stücke bilden. Aus so viel aufgeräumter Struktur erwächst Tiefe und emotionale Resonanz. Diese Qualität bleibt auch bestehen, wenn sich die Musik plüschige Weichheit einhüllt, dass man die Lavallampe einschalten möchte, während immer neue, flächige Hintergrundsounds scheinbar das ganze Universum umarmen möchten. Auch der letzte, der bis hierhin behauptete, elektonische Musik sei künstlich und seelenlos wird zu diesem Zeitpunkt nicht anders können, als sich, getragen von diesen Klängen, an Sehnsuchtsorte wegzuträumen.
Hinter all dieser Gabe, Musik atmen zu lassen, verbirgt sich profunde Erfahrung. "Little Deep Miss Strange" ist nach Aussage des Duos das Resultat eines kreativen Prozesses, der in der Corona-Zeit seinen Ursprung hatte. Damals spielten Razani und Wannink stundenlange Sessions, aus denen das Material für die Stücke sorgsam ausgewählt wurde. Manchmal reichten kleine Motive, um daraus einen ganzen Track zu bauen, manche Stücke sind auch spontan aus der Improvisation heraus entstanden. Das Album ist zweifellos ein Werk im wortwörtlichen Sinne geworden, das den Hörer auf die sprichwörtliche Reise mitnimmt und eben gleichermaßen "zum Tanzen und Träumen", wie das Duo die Gebrauchsansweisung für die aktuelle Platte gleich mitliefert. Der Himmel ist tief, dunkel, schwer und süß!
Live kann man Honey Bizarre am 5. September im Bochumer Planetarium erleben - unter anderem. Sämtliche Aktitiväten, Termine und Infos hier. Am 11. September folgt ein Auftritt im Dortmunder domicil.