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Hilde

Tide

Köln, 02.04.2024
TEXT: Stefan Pieper | 

Lange hat es gedauert, bis die Band Hilde ihr zweites Album vorgelegt hat. Aber es hat sich gelohnt, dass Marie Daniels (Stimme), Maria Trautmann (Posaune), Julia Brüssel (Violine) und Emily Wittbrodt (Cello), ihre kreativen Prozesse weiter reifen lassen. "Tide" ist weit mehr als nur eine Momentaufnahme aus dem kreativen Kontinuum dieser ungewöhnlich besetzten Band, denn vor allem die durchdachten und ausformulierten Song-Strukturen in vielen Stücken haben ein „Werk“ im echten Sinne entstehen lassen.

Bezahlt macht sich dabei die originelle Kunst in dieser Band, aus freien, abstrakten Klangformen immer wieder zu lyrischen Momenten zu finden. Maria Daniels souveräne Gesangsstimme nimmt eine tragende Rolle in der Dramaturgie des Albums ein, was sie in vielen Facetten von lyrisch zart bis jazzig cool und mit einem bemerkenswerten Tonumfang einlöst. Geigerin Julia Brüssel und Cellistin Emily Wittbrodt lassen in ihrem Spiel ständig durchblicken, welche Erfahrungen sie in allen möglichen innovativen Spielarten der aktuellen Musik mitnehmen. Maria Trautmann beherrscht auf ihrer Posaune die Kunst des Einmischens im genau passenden Moment, was nicht selten Farbtupfer von fast cineastischer Melancholie setzt.

Ode an die Schönheit und an die Freiheit

Dementsprechend wirken die 14 Stücke wie kunstvolle, manchmal auch skizzenhaft verdichtete Gemälde voller Poesie und Ausdruckskraft. Zuweilen reichen anderthalb Spielminuten, um alles auf den Punkt zu bringen. Die Expressivität von Neuer Kammermusik und eine gewisse pop-affine Verspieltheit sind dabei ebenso wenig ein Widerspruch. Zuweilen zoomen die Stücke auch mal mittendrin - wie etwa das Titelstück "Tide" - in konträre Klangzustände hinein. "Tomorrow" eröffnet eine innige Interaktion zwischen zarten Streicherpizzicati, der träumerischen Stimme von Marie Daniels und einer ausdrucksstarken Posaunenlinie. Mit einem symphonisch schweren Streicherakkord eröffnet "Blau", diesmal auf deutsch getextet, eine Ode an die Schönheit und die Freiheit. Auch energiegeladene Impulse blitzen auf, etwa im instrumentalen Sprechgesang von "Kostouxjak5". "Equity" ist ein gesprochenes Statement zur Lage der Welt und den Möglichkeiten, diese zu verbessern, während "River" eher wie ein gut abgehangenes, wärmendes Spiritual klingt. Im Stück "Once", dem Cover eines Songs von Astrud Gilberto, treibt Marie Daniels eine sehnsuchtsvolle Stimmung auf die Spitze. "Melt" featured die Streichinstrumente in fast lautmalerischer Diktion, wenn sirenenhafte Glissandi jede feste Definition von Tonhöhe zusammenschmelzen lassen. Das ist eine spannende Überleitung zum finalen Stück "New Born" - einer Hymne voller Strahlkraft über das wundersame Glücksgefühl eines neu geborenen Lebens.

Der herrschaftsfreie Diskurs zu viert in der Band „Hilde“ wird weitergehen. Ob die Stücke bei den nächsten Konzerten vielleicht schon wieder in anderen, weitergedachten, neu empfundenen Schattierungen aufleuchten werden? Eine Antwort auf diese Frage werden die kommenden Konzerte liefern. Die nächsten Termin in NRW sind am Freitag, 12.4 (Jazzschmiede Düsseldorf) und am Samstag 13.4. (Lokal Harmononie Duisburg).

ALBUM

Hilde

Tide

Boomslang Records 2024

LIVE

Freitag 5. April, Domicil dortmund



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