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Hilde

Emily Wittbrodt, Julia Brüssel, Maria Trautmann, Marie Daniels

Köln, 03.07.2020
TEXT: Stefan Pieper | 

Klangbiotope zwischen Abstraktion und Schönheit entstehen, wenn die Band Hilde frei improvisiert – jetzt liegt eine beeindruckende Debut-CD vor.

Schwingende Saiten, Luftströme und Stimmbänder sind unmittelbar miteinander konfrontiert, was auf der Debut-CD dieses mutigen Quartetts für ein Hörerlebnis sorgt, das ins Innerste vordringt. Die Fähigkeiten dieser vier Musikerinnen, allesamt Mitglieder des „The Dorf/Umland“-Kollektivs, sind spektakulär und vereinen sich hier in gemeinsam gelebter Freiheit.

Emily Wittbrodt, Cello und Julia Brüssel, Violine halten bei der Behandlung ihrer Streichinstrumente mit ihren Erfahrungen nicht hinterm Berg. In herausfordernden Interaktionen, aber auch in zugespitzter solistischer Improvisation blühen Elemente aus klassischer Moderne, Neuer Musik, zuweilen auch orientalischer Spieltechnik auf. Als andere, starke Komponente kommen sich flexibel eingesetzte Geräuscheffekte, mikrotonale Linien, perkussive Aktionen der Posaunistin Maria Trautmann und die immense Ausdruckspalette der Sängerin/Vokalistin Marie Daniels verblüffend nah. Letztere sprengt mit ihrer stimmlichen Variabilität, ihrem Tonumfang und ihrer Experimentierlust ohnehin alle Grenzen - von abstrakter Vokalartistik bis zu tief geerdetem Bluesgesang reicht ihre treffsicher eingesetzte Skala. Zum großen Ganzen vereint stehen diese Komponenten im Dienst einer frei wuchernden Fantasie.

Wo andere vielleicht versucht wären, hier allzu vieles eitel aufzutürmen, wissen diese kreativen Musikerinnen aus NRW bestechend gut, was sie wollen und tun. Die Livesessions und Konzerte in großen und kleinen Räumen sind Versuchsanordnungen für neue Möglichkeiten. Die Kür liegt jetzt darin, mit einem Tonträger ein stimmiges Kunstwerk im ganzen zu kreieren – hierfür wurden Live-Takes aus dem Kölner Loft, der „Blackbox“ in Münster und schließlich dem Kölner Arttheater in kluger Mischung ausgewählt. Etwas skizzenhaft wirkt beim hören der CD, dass einige davon manchmal etwas früh ausgeblendet werden - aber es soll hier ja um das ganze Spektrum, die weite Vielfalt von Atmosphären und Empfindungen gehen...

Die Tracks haben eigene Namen, fügen sich aber wie Abschnitte einer Suite zusammen. Obskure Flagoletts eröffnen zu Beginn ein obertonreiches Klangbiotop. Vokale Fantasiegestalten wie aus imaginären Dschungel-Landschaften mischen sich dazu. Aus dem Chaos entsteht Harmonie – Marie Daniels intoniert aus tiefer Seele einen melodiestarken Song, der wie ein ruhender Pol, ein emotionales Zentrum wirkt. Immer wieder fordern sich im weiteren Stimme und Posaune zu imaginären Lautpoesie-Duellen heraus, während Streichertremoli die Stimmung weiterhin fieberhaft aufladen. Faszinierend wirken Julia Brüssels punktuelle Anspielungen auf Folk und orientalische Tonalitäten. Zahllose weitere solcher Mutationen und Wechsel erzeugen eine starke Sogkraft, ziehen hinein in ein Labyrinth der Ideen, öffnen neue Tore, hinter denen sich unvorhergesehene Lyrik und – ja! -Schönheit offenbart!

CD:

Hilde

Umland Records 2020

Stefan Pieper

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