Henning Sieverts
Double Quartet
TEXT: Uwe Bräutigam |
Henning Sieverts hat für sein viertes Album als Leader auf dem Pirouet Label ein Doppel-Quartett zusammengestellt, aus vier »Zwillings«-Instrumentenpaaren: zwei Saxophone, Klavier/Vibraphon, Bass/Tuba und zwei Schlagzeuge. In vier Duos, zwei Quartetten und einem Oktett werden die Sieverts Kompositionen umgesetzt.
Die 15 Stücke auf der CD sind aus einem größeren Projekt im schwäbischen Kloster Irsee entstanden, bei dem Henning Sieverts sich 2014 für das Festival Tonspuren mit einer Messe von 1614 beschäftigte. Aus dieser Renaissance Messe integrierte er Elemente in seine Kompositionen.
Die Stücke Cantus Five, Cantus Seven, Vipia Twins und Sax Twins basieren auf einem Cantus Firmus, einer festen Leitmelodie, aus der alten Messe. Im Stück Cantus Five hat Sieverts afro-kubanische Rhythmen aus einem 15/8 Takt abgeleitet. Im Cantus Seven spielt er mit den Möglichkeiten der Zahl Sieben. Der Beginn des Stückes ist durch leichtes helles Vibraphonspiel geprägt, an das sich ein Schlagzeugsolo anschließt. Die Instrumente steigern sich zu einem quirligen Durcheinander, das sich zum Ende wieder ordnet. Die beiden kurzen Duostücke Vipia (Vibraphon/Piano) Twins und Sax Twins sind feine lyrische Zwischenspiele, die jeweils nur eine Minute lang sind. Mit Firm Cantus komponiert Sievert einen modernen Jazz Cantus Firmus, der aus einem tief tönenden Groove der Tuba besteht, um den die anderen Instrumente verspielte Linien legen. Dieser tiefe dunkle Cantus Firmus erinnert etwas an die dumpfen, etwas unheimlichen Trommeln der alemannischen Fastnacht.
Auch die kurze Improvisation Drum Twins bildet eins von fünf kurzen Duetten der Instrumenten Zwillinge, die als Bindeglieder zwischen den Stücken wichtig sind.
Die Stücke Hexa Countdown, Hexa Circle, Hexa Twelve und Hidden Hexa basieren auf einem Hexachord aus der Messe, einer symmetrische Sechston-Tonleiter, aus vier Ganztonschritten und einem Halbtonschritt, der die Tonleiter in der Mitte zwischen dem dritten und dem vierten Ton teilt. Sievert kombiniert jeweils zwei Sechser Skalen zu einer Zwölftonskala.
Im Stück Hexa Countdown entwickelt Sievert aus zwei Sechser Skalen eine swingende Dynamik, die in einem Klaviersolo von Florian Weber einen Höhepunkt hat. Während in Hexa Circle durch das wechselnde Zusammenspiel der Instrumente ein buntes Klangbild kreiert wird, entsteht durch die symmetrische Spiegelung der Skalen in Hexa Twelve ein lyrischer Jazz Walzer. Das Stück Hidden Hexa beginnt mit einem wilden Einstieg, an dem sich dann orchestrale Miniaturen von feiner Schönheit anschließen. Diese lyrische Feinheit wird in den Improvisationen des nachfolgenden Ebird weitergeführt. Während Fasoldo vom Dialog der tiefen und hohen Instrumente lebt, ist im Stück Ursin ein Bass Ostinato mit komplexen melodischen Überlagerungen im Mittelpunkt. Das Album endet, wie es auch begonnen hat, mit einem kurzen Duett der Tieftöner Tuba und Bass: Bass Twins.
Die Kompositionen von Henning Sieverts transportieren in ihrer Vielfältigkeit die archaische Schönheit der liturgischen Renaissance Musik in eine moderne Jazz Sprache, mit Zwölftonreihen, Polyrhythmik und boppigem Swing. Das Album entfaltet tiefgründige Klanglandschaften von großer ästhetischer Kraft.
Ein großartiges Album, mit herausragenden Instrumentalisten, in dem Modernität und Schönheit sich nicht ausschließen und Komplexität mit Eingängigkeit einhergeht.
Besetzung des Doppelquartetts:
Loren Stillmann, Alt – und Sopransaxophon | Silvain Rifflet, Tenorsaxophon, Klarinette
Florian Weber, Piano | Pascal Schumacher, Vibraphon
Francoise Thuiller, Tuba | Henning Sieverts, Bass, Cello
Jochen Rueckert, Schlagzeug | John Hollenbeck, Schlagzeug
Henning Sieverts – Double Quartet, PIROUET PIT 3092www.pirouet.com