Hendrika Entzian
Marble
TEXT: Dr. Michael Vogt |
Geschüttelt, nicht gerührt: Sieben Stücke, die sämtlich von Hendrika Entzian komponiert und arrangiert wurden, nehmen den Zuhörer mit auf eine knapp einstündige, aufregende Reise durch die vielfältigen Möglichkeiten des zeitgenössischen Bigband-Sounds.
Die 1984 geborene Kontrabassistin Hendrika Entzian wurde 1984 mit dem WDR Jazzpreis für Komposition ausgezeichnet. Mit dem Hendrika Entzian Quartett hat sie 2012 das Album „Turnus“ und vier Jahre später die CD „Pivot“ veröffentlicht. Seit geraumer Zeit arbeitet die Komponistin auch mit großen Ensembles wie der WDR-Bigband oder dem Metropole Orkest zusammen. Unter dem Label „ Hendrika Entzian +“ hat sie zusammen mit Musikern wie Sebastian Gille (tenor saxophone, bass clarinet), dem Kölner Bastian Stein (trumpet, flugelhorn) und der mit dem WDR Jazzpreis 2020 für Improvisation ausgezeichneten Posaunistin Shannon Barnett eine Bigband zusammengestellt, deren CD „Marble“ am 24. April in den Handel kommt.
Humorvolle Auseinandersetzung
Sieben Stücke, die sämtlich von
Hendrika Entzian
komponiert und arrangiert wurden, nehmen den Zuhörer mit auf eine knapp einstündige, aufregende Reise durch die vielfältigen Möglichkeiten des zeitgenössischen Bigband-Sounds und die komplexe und facettenreiche musikalische Welt der Komponistin.
„Weekdays“ eröffnete 2016 schon das Quartett-Album „Pivot“. Jetzt erscheint das Stück in großer Besetzung klanglich gewandelt, farbiger und urbaner, mit nostalgischen Retro-Anklängen und einer tastenden Nervosität, die in den Soli von Gille und Stein zum Ausdruck kommt. Wie groß die Bandbreite des Albums sein kann, zeigt die Nummer „Pivot“, die auch schon dem gleichnamigen Quartett-Album seinen Titel verlieh. Geheimnisvoll geht das Stück von naturhaften Walgesängen und geschwätzig zeterndem Blech aus, um danach idyllische Reminiszenzen an den Hollywood-Sound der 1960er mit rasanten Steigerungen zu kombinieren.
Definitiv nichts zum nebenbei laufen lassen
In humorvoller Auseinandersetzung mit verschiedenen Klangsprachen – von kammermusikalischer Finesse bis hin zu satter Bigband-Power – oszillieren die Kompositionen zwischen harmonischer Ordnung und wilder Kreativität. Entzian spielt virtuos mit Anklängen an verschiedene Genres und erreicht mit bravouröser Leichtigkeit eine Balance zwischen Ensemble- und Solospiel. In „Limona“ fährt das Blech munter durch kurze Glissandi – eine Achterbahnfahrt, die durch zufällig wirkende Echo-Effekte und verzerrte Klangspiegelungen geradewegs in eine mit spielerischem Pinselstrich entworfene, sommerlich-frische Pleinairmalerei mündet, in der Entzian klangliche Weite und kompositorische Freiheit erreicht. Während „Marble Pt. 2“ mit seinen repetitiven Motiven modern und funky daherkommt, um sich dann interessant weiterzuentwickeln, erinnert „Stapel“ zeitweise an einen fieberhaften Soundtrack, in dem sich Minimal-Anklänge, Bigband-Harmonik und melancholische Melodie-Fragmente zu einem spannenden Cocktail vermischen: geschüttelt, nicht gerührt! Entzians Ansatz ist cool, zeitgemäß und sinnlich. Ihre Musik klingt in ihrer Pluralität postmodern und kosmopolitisch, intelligent und immer wieder überraschend. Definitiv nichts zum nebenbei laufen lassen. Aber aufmerksames Zuhören wird bei diesem Album in jedem Fall belohnt.
Henrika Entzians neues Album "Marble" wird morgen, (20. April 2020) auf dem Traumton-Label veröffentlicht.