Hans Lüdemann Trans Europe Ensemble
On the Edges 1 feat. Majid Bekkas
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker |
Wie ein Insektenschwarm, begleitet von ein paar Tieftönen eines Kontrabasses – so beginnt mit dem Titel Lamjarred die CD On The Edges 1 des TransEuropeExpress Ensembles mit Majid Bekkas. Das deutsch-französische Ensemble um den in Köln lebenden Pianisten Hans Lüdemann begibt sich mit dem TransEuropeExpress auf die Reise eines langfristig angelegten Projektes mit dem Anspruch, grenzüberschreitende Stilistiken zu entwickeln, unterschiedliche Musikkulturen zu entdecken und daraus neue Energien und Impulse entstehen zu lassen.
Der Zyklus beginnt mit einem musikalischen Trip außerhalb Europas, auf die gegenüberliegende Seite des Mittelmeers mit der Zusammenarbeit mit dem marokkanischen Musiker, Komponisten und Sänger Majid Bekkas. Bereits in dem Trio mit Joachim Kühn und Ramon Lopez ist Bekkas‘ Beteiligung an einer Verbindung von maghrebinischer Klangtradition und westlich orientierter Improvisationskunst bekannt. Auch in der Zusammenarbeit mit Hans Lüdemann und dem TEE-Ensemble bringt der Marokkaner mit seiner Stimme, mit seiner Oud-Laute und Guembri-Basslaute die Musiktradition Nordafrikas in die zum Teil rhythmisch vertrackten Stücke ein. Und in der Tat: Durch die Konfrontation der verschiedenen Musiktraditionen und -stile entstehen musikalische Räume ganz eigener Prägung.
Lamjarred wie auch das kunstvoll minimalistische Sahara Variations und das im Ensemble-Spiel energiegeladene Yaya vereinen stilistische Grundlinien von Sufi-Gesängen und Gnawa-Klangtradition mit Jazz-Idiomatik. In der solistischen Umsetzung ist deutlich die inspirierende Kraft der interkulturellen Interaktion zu spüren. Die fünfteilige Komposition On The Edges beginnt mit einem von der Posaune vorgetragenen Motiv, das – wie Hans Lüdemann in dem ausgesprochen informativen Booklet beschreibt – den Ausgangspunkt des Projektes vorgibt. Der zweite Teil ist stilistisch und vor allem durch das Oud-Spiel im wesentlichen „afrikanisch“ gestimmt, es endet im Duktus von improvisationsmusikalischer Freiheit.
Eine gelungene nordafrikanisch-europäische Fusion
Der dritte Teil ist eindeutig Jazz-basiert: Akkorde und Melodieansätze des Pianos werden vom Ensemble geradezu konventionell begleitet. Teil 4 wiederum greift Elemente des zweiten Teils auf und formt daraus einen 21/8-Rhythmus. Teil 5 startet mit einem wunderschönen Dialog von Kontrabass und Guembri, der fast unmerklich übergeht in das sich im Tempo steigernde Ensemble-Spiel - mal getragen von der Violine, mal von der Blassektion, mal vom Piano, um in eine kurze rhythmische Coda überzugehen. Ohne Majid Bekkas begibt sich das Ensemble mit Zwickmühlen in eine kollektive Improvisation, bestehend aus jeweils multipel variierten kleinen motivischen Elementen. Die Komposition Ashura von Alexandra Grimal markiert mit ihrem Einsatz von Schlaginstrumenten einen ganz anderen, eher „asiatisch“ anmutenden kontemplativen Album-Schluss. Beide Stücke – so interessant sie als einzelne sind - passen nicht so recht in den konzeptionellen CD-Rahmen. Sei’s drum. Unabhängig davon handelt es sich bei dem Album um eine gelungene nordafrikanisch-europäische Fusion, eine von inspirierter Kraft getragene musikalische Grenzüberschreitung. Insgesamt darf man gespannt sein auf weitere interkulturelle Entdeckungsreisen des TEE.
TransEuropeExpress Ensemble:
Hans Lüdemann (p, virtual piano)
Yves Robert (trb)
Alexandra Grimal (ss, ts)
Silke Eberhard (as, cl, b-cl)
Régis Huby (vl)
Ronny Graupe (g)
Sébastien Boisseau (b)
Dejan Terzic (dr, perc)
Feat. Majid Bekkas (oud, guembri, voice)
Hans Lüdemann , TransEuropeExpressEnsemble. Featuring Majid Bekkas: On The Edges 1. BMC CD 292