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Günter Baby Sommer

Le Piccole Cose

Bochum, 27.01.2017
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | 

Keine „Kleinen Sachen“ – wie der italienische Titel nahelegt – enthält die CD von Günter Baby Sommer, Le piccole cose dokumentiert vielmehr in zu bescheidener Untertreibung ein spannendes Live-Konzert des Altmeisters am Schlagzeug im Theater Gütersloh vom 31.10. des letzten Jahres. Die CD ist als Nummer 9 in der Reihe ‚European Jazz Legends’ der Zeitschrift Jazzthing in Zusammenarbeit mit WDR 3 erschienen, es besteht kein Zweifel daran, dass der 73-jährige Drummer aus Radebeul ein würdiger Vertreter dieser Reihe ist, gehört er doch bis heute zu den zentralen Protagonisten der ostdeutschen und internationalen Szene der improvisierten Musik. Für den Live-Mitschnitt versammelt Günter Baby Sommer denn auch die Bandmitglieder, mit denen er in der legendären Jazzwerkstatt Peitz 1979 musizierte: den Trompeter Manfred Schoof aus Westdeutschland und Gianluigi Trovesi (Altsaxophon und Altklarinette). Letzterer verdankt sein damaliges Mitspiel der Vorgabe der DDR-Kulturbürokratie, die ein rein deutsch-deutsches Konzertieren missbilligte. Als Bassist fungiert der in Berlin lebende Italiener Antonio Borghini, bekannt durch seine Mitarbeit in der Band von Alexander von Schlippenbach, von Sommer als „Youngster in der Alt-Herren-Band“ bezeichnet.

Like Don eröffnet die Session mit einem Drumsolo, um überzuleiten zu einer wahren Hommage an Don Cherry und Ornette Coleman. Ähnlich aufgebaut ist die Trovesi-Komposition No Parietto: Wild und mit tänzerischer Beschwingtheit agieren die beiden Bläser wie in vielen Cherry-Coleman’schen Zwiegesprächen. Wie überhaupt die gesamte CD den kosmopolitischen Geist des Jazz versprüht: eine energiegeladene Verbeugung europäischer Jazzer vor den Vorbildern jenseits des Atlantiks oder etwa in Inside Outside Shout vor den afrikanischen Wurzeln des Jazz. Der ergreifende Totengesang Marias Miroloi aus dem Griechenland-Projekt Songs For Kommeno von Günter Baby Sommer bedeutet einen „europäischen Blues“ mit historisch-politischer Grundierung: Erinnert wird an das Massaker der deutschen Wehrmacht im Jahre 1943 an der Zivilbevölkerung im griechischen Kommeno. Das Live-Konzert endet mit Hymnus: einem - nomen est omen – wunderschönen entspannten Hymnus des Quartetts.

Die CD enthält neben den sieben Stücken eine musikeditorische Besonderheit: ein 11-minütiges Interview mit Günter Baby Sommer. In diesem erzählt der Musiker, wie er in den 1960er Jahren zu dem Namenszusatz „Baby“ in Verehrung für den Schlagzeuger von Louis Armstrong Baby Dodds kam. Hochinteressant auch die Aussagen des quirligen und beredten Zeitzeugen Sommer über deutsch-deutsche Besonderheiten oder über die Geschichte der improvisierten Musik in der DDR oder die Selbsteinschätzung als Musiker, die in dem Jazz der 1960er und 1970er Jahre verwurzelt sind mit Öffnung zu zeitgenössischen Strömungen, die sich als „Partisanen der Jazzlandschaft“ fühlen. Ihre Musik lässt den kämpferischen Biss in der Tat nach wie vor verspüren.

Günter Baby Sommer: Le piccole cose. Live At Theater Gütersloh.

Günter Baby Sommer (dr), Gianluigi Trovesi (as, alto-cl), Manfred Schoof (tr, flgh), Antonio Borghini (b)

INTCHR 71321

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